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Mr. Chartwell - Hunt, R: Mr. Chartwell

Mr. Chartwell - Hunt, R: Mr. Chartwell

Titel: Mr. Chartwell - Hunt, R: Mr. Chartwell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Hunt
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morgen? Che Guevara?«
    Corkbowl lächelte, aber ein nervöser Kloß im Hals war seiner Gesprächigkeit abträglich. Sein Dorsch war inzwischen im Backofen aufgewärmt worden und stand zur Verkostung bereit. Auf der anderen Seite des Raums trug Beth eine Schüssel neue Kartoffeln und Blumenkohl auf. Eine Schale Erbsen kam dazu. Sie formte mit ihren Topfhandschuhen einen Trichter und rief: »Essen fassen!«
    Unter Besteckklappern und freundlichem Geschiebe nahmen sie am Tisch Platz und reichten das Essen herum.
    Eine Backe voll Fisch sagte Big Oliver: »Prima. Reife Leistung, Corkbowl.«
    »Gern zu Diensten«, entgegnete Corkbowl sichtlich erfreut.
    Little Oliver wollte keinen Blumenkohl haben und musste welchen nehmen. »Aber ich mag keinen Blumenkohl«, flehte er seine Mutter an.
    »Kopf hoch, Soldat«, sagte Big Oliver zu ihm, ein großes Stück Blumenkohl auf der Gabel. »Niemand mag Blumenkohl.«
    Corkbowl nickte zustimmend, und Little Oliver war halbwegs versöhnt. Zwischen den Bissen schob er seinen Laster um die Gewürzstreuer. Als er nicht hinschaute, füllte Beth ihm eine Portion Erbsen in den Anhänger. Little Oliver musste die Fracht auf seinem Teller abladen und aufessen.
    Beth lachte. »Als Krönung der Woche, finde ich, sollte das Sonntagsessen immer ein Vergnügen sein.«
    »Absolut richtig«, sagte Big Oliver.
    »Das ist eine ernste Sache, sich beim Essen zu vergnügen.« Beth nahm Esther und Corkbowl feierlich an der Hand und senkte mit ironischer Demut den Kopf. »Die wir hier versammelt sind im Namen des Herrn, lasset uns bähen.«
    Sie blickte verschmitzt in die Runde. »Der Herr säge euch und verhüte euch.«
    Selbst Esther musste grinsen. Big Oliver sah es und hob sein Glas zum Toast.
    »Auf den Koch!«
    Zart klirrten die Gläser, als sie miteinander anstießen.
    »Und … «, Big Olivers Lächeln richtete sich auf Esther, richtete sich auf alle, richtete sich wieder auf Esther, »… auf andere Freunde, die heute nicht unter uns sind.«
    »Auf andere Freunde«, wiederholte Corkbowl gehorsam. Mit einem warnenden Blick auf Big Oliver sprach Beth es nach.
    »Ja.« Esther stellte ihr Glas auf den Tisch. »Auf andere Freunde.«
    Die lächelnden Mienen am Tisch trübten sich. Corkbowl merkte, dass Esthers stilles Prisma für die seltsame Färbung der Stimmung verantwortlich war. Eine Dunkelheit war mit diesem Tag verwoben, das spürte er, aber er konnte nicht erahnen, worin sie bestand. Esthers Kopf wandte sich ganz minimal dem Garten zu. Niemand da. Sie vergewisserte sich noch einmal.
    Beth erkannte, dass sie Esther retten musste. Niemand konnte eine Runde besser aufheitern als Big Oliver. »He«, sagte sie zu ihm und den Übrigen, »erzähl doch Corkbowl die Geschichte, wie du mal mit deiner grauenhaften Beatgruppe auf der Bühne gesungen hast.«
    Big Oliver kannte seinen Auftrag. Er kannte auch die Geschichte, denn er hatte sie schon tausendmal erzählt und dabei bis ins Letzte ausgefeilt. »Corkbowl«, sagte er und beugte sich vor, »Sie scheinen mir ein Mann zu sein, der sich mit Tragödien auskennt. Ich will Ihnen daher von der Tragödie meiner Studentenband berichten.«
    Beths Vorschusslachen platzte heraus wie Popcorn. Die Anekdote war ein Klassiker.
    »Der Abend war schlecht gelaufen«, klagte Big Oliver, an Corkbowl gewandt. »Die Lieder, die wir komponiert hatten … «, er schüttelte bekümmert den Kopf, »… sie waren nicht angekommen.« Beth sprach den nächsten Satz im Stillen mit: »Wir blickten der nackten Katastrophe ins Gesicht.«
    »Kein schönes Gesicht«, sagte Beth wie immer.
    »Nein«, bestätigte Big Oliver, »ganz und gar nicht.«
    Beth zwinkerte Esther zu. Der Riss im Gespräch wurde vernäht, während Corkbowl der historischen Bandanekdote lauschte. Little Oliver hatte eine wichtige Mitteilung zu machen: Er wollte von ihnen allen ein Bild malen. Esther hörte am Rande zu, von Corkbowl mit gelegentlichen Blicken bedacht. Als die Teller leer waren, fischten sie mit den Gabeln die letzten Kartoffeln aus der Schüssel. Weniger glückliche Gabeln mussten sich mit Blumenkohlresten begnügen. Vom Wein animiert, verfielen sie in harmlose Blödeleien. Doch in der Luft hing ein Geruch, der Esther ablenkte. Corkbowl sagte etwas zu ihr, und sie antwortete unkonzentriert. Ihr Lachen wargespielt,undCorkbowlmerktees.DieserGeruch:Wiederschaute sich Esther um, ließ den Blick durch den Raum schweifen.
    Little Oliver wurde aus der Gefangenschaft entlassen und durfte eine Weile spielen.

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