Mr. Chartwell - Hunt, R: Mr. Chartwell
Oliver trugen Schälchen auf und setzten sich lautstark an den Tisch. »Was habt ihr da zu tuscheln, Kinder?«, fragte Beth in der Rolle der neugierigen Tante.
»Ach, nicht viel«, antwortete Esther mit tadellos gespielter Ehrlichkeit.
»Was es zum Nachtisch gibt«, führte Corkbowl Esthers Vorgabe fort.
Die Porzellanschälchen enthielten die hellgelben, schon zu schmelzen beginnenden Vanilleeiskugeln. Little Oliver kam in Höchstgeschwindigkeit zu seinem Stuhl gerannt, denn Eis war das Größte überhaupt.
Black Pat legte Esther mit seinem Büffelgewicht den Kopf auf die Schulter. »Esther … «
»Noch jemand Waffeln?«, fragte Big Oliver und rammte eine zweite in Esthers Eisportion. Die Waffel zerbrach. »Entschuldige die Finger«, sagte er grinsend.
»… kommste nu«, Black Pats feuchte Knautschnase stupste an Esthers Backe, »oder kommste nu nich mit nach Hause?«
Corkbowl merkte, wie spät es war. »Esther, ähm … ich sage das nur ungern, aber wir müssen bald los, wenn wir rechtzeitig bei Churchill eintreffen wollen.«
»Ah!«, sagte Big Oliver. »Aber es kommet die Zeit und ist schon itzt.«
Esther und Churchill. Black Pat warf Corkbowl einen scharfen Blick zu. Denselben betrogenen Blick richtete er auf Esther. Die Aussicht, dass sie mit Churchill zusammentraf, war bedenklich. Ihre Haut errötete unter seinem heißen Atem, als er ihr drängend zuraunte: » Hör auf mich, hör auf mich. «
Die Hitze, die von seinem Kopf ausging, war ekelhaft, und sein Gestank kroch ihr in Nase und Mund, während seine seegurkengroße Zunge ihr faulige Beschwörungen ins Ohr flüsterte. Geschlagen sagte Esther zu Corkbowl: »Ich bin mir nicht sicher, ob ich nach Kent fahren kann.«
» Ja .« Beth verstand den Satz falsch. Liebevoll legte sie ihre warme Hand auf Esthers Arm und drückte ihn sanft überredend. »Wir regeln das schon. Du bleibst hier bei uns, wenn du das lieber magst.«
»Du solltest nach Hause fahren«, brodelte es ihr ins Ohr.
»Vielleicht sollte ich nach Hause fahren.«
»Mit mir, Esther.«
»Du willst heute allein sein?« Das machte Big Oliver besorgt. »Du willst wirklich heute allein sein?«
Beth wollte hinterhergehen, als Esther das Zimmer verließ, und wurde von Big Oliver zurückgehalten. Zwischen ihnen entspann sich ein leiser, lebhafter Streit darüber, was zu tun war. Er wurde von Corkbowls Knie unterbrochen, das an ein Tischbein rumste, als er aufstand. Zwei Gesichter starrten ihn verwundert an.
»Ich gehe nach ihr schauen«, sagte er leise.
Ihre Blicke folgten ihm in die Diele.
Esther zog gerade ihre ausgeleierte Strickjacke an.
»Ähem.«CorkbowltrateinenSchrittnäher.»MöchtenSieweitererzählen?«
Black Pat hatte sie an der Haustür in die Ecke getrieben. Corkbowl regte ihn dermaßen auf, dass sich ihm die Nackenhaare sträubten. Esthers Antwort klang kläglich. »Danke für das Angebot, aber ich möchte Sie nicht langweilen. Ich sollte lieber los.«
Corkbowl wischte sich über den Mund. Eis an der Hand? Nein, sie war sauber, und so fragte er, ob sie sich sicher war.
»Ich weiß nicht.« Sie hängte sich ihre Tasche über die Schulter, und sie rutschte herunter. »Ich wünschte, ich wüsste es.«
»Ich will Ihnen sagen, was ich weiß. Nämlich dies.« Corkbowl wagte den nächsten Schritt. Na los, dachte er, na los, bring dein dummes, peinliches Zitat an. Er stieß es hervor: »Die Freunde, die du hast und sind bewährt, mit stählern’ Reifen hefte sie ans Herz.«
Dieser Corkbowl … Black Pat war angewidert. Er warf Esther einen Blick voller Hohn zu und nahm bei ihr keinen ähnlichen Ausdruck wahr.
»Genau«, sagte Esther leicht verwirrt zu Corkbowl.
Errötend setzte Corkbowl zu einer Erklärung an. »Das ist quasi eine umständliche Art zu sagen, dass ich Ihr Freund bin … « Etwas vermessen. Er korrigierte sich. »Ich hoffe, dass wir Freunde werden können … ähm.« Offen bekannte er: »Ich würde alles tun, womit ich behilflich sein kann.« Corkbowl schlug sich auf den Schenkel – ein Zeichen dafür, dass sie beide gleich vor Peinlichkeit vergehen würden. »Im Prinzip versuche ich wohl, mich Ihnen ans Herz zu heften.«
Es war nicht nur Esther und Corkbowl peinlich. Es bewirkte auch eine Veränderung in Black Pat, in dem sich jetzt der Besitzanspruch regte. Esther zu gewinnen, erkannte er, gestaltete sich schwieriger, als er vermutet hatte. Na gut, am Resultat würde das nichts ändern. Doch es schwang Rivalität in seiner Stimme, als er Esther fragte:
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