Mr. Darcy bleibt zum Fruehstueck
oder irgendetwas?«
Er nickte.
»Wir können bestrahlen. Aber das wird sehr schmerzhaft«, sagte er ernst. »Und es wird das Leben Ihrer Großmutter nur um sechs Monate oder vielleicht ein Jahr verlängern.«
Nachdem er zu Ende gesprochen hatte, tat meine Großmutter etwas, das ich in den fast vierzig Jahren nie bei ihr erlebt hatte: Sie weinte vor einem Fremden.
Als sie sich gesammelt hatte, sagte sie leise: »Ich möchte keine Bestrahlung. Ich möchte, dass es zu Ende geht.«
Ich wollte den Arzt zwingen, sie vom Gegenteil zu überzeugen, selbst sechs Monate bedeuteten alles für mich. Aber er hörte ihr zu und fühlte mit ihr. Ich wusste, dass sie Schmerzen hatte, aber wie sehr sie litt, wurde mir erst jetzt bewusst. Der Tumor war eine Qual und verursachte solche Schmerzen, dass sie sterben wollte. Sie hatte sich entschlossen.
»Ich habe genug«, wiederholte meine Großmutter.
»Ich verstehe«, sagte er und legte die Hand auf ihr Knie. »Sie sind sehr mutig.«
»Können Sie mir die Schmerzen nehmen?«, fragte Nana und legte ihre Hand auf seine.
»Wir können Ihnen Morphium geben«, erklärte er.
Ich erinnere mich nicht an die Fahrt vom Krankenhaus nach Hause. Ich erinnere mich nur an die verschwommene Landschaft, die an uns vorbeizog, während jede rote Ampel mich in die Realität zurückholte und ich langsam begriff. Meine Großmutter würde sterben. Ich hatte das Geheimnis für mich behalten, um meiner Familie noch ein Wochenende lang die Hoffnung zu lassen. Aber ich verstand jetzt: Ich hatte geschwiegen, das Wort »Krebs« nicht laut ausgesprochen, weil ich dadurch selbst zwei Tage Zeit gewann, mich mit der Wahrheit auseinanderzusetzen. Wir standen alle unter Schock, aber irgendwie merkte meine Familie, dass es mich nicht ganz so sehr schockierte.
»Wusstest du es?«, fragte mich Nana direkt.
»Seit Freitag, als das Krankenhaus anrief«, gestand ich.
»Du wolltest es für dich behalten?«, fragte Ann ungläubig.
»Ich wollte, dass ihr noch ein letztes Wochenende habt, an dem ihr glaubt, dass alles in Ordnung ist«, gab ich ruhig zu.
Nana klopfte mir auf den Oberschenkel.
»Danke schön.«
Wir fuhren in die Auffahrt, aber niemand stieg aus dem Wagen. Wir waren auf unseren Sitzen erstarrt, hatten keine Ahnung, was wir als Nächstes tun sollten. Nach ein paar Minuten seufzte Nana: »Ich muss mich hinlegen.«
»Ich gehe in die Apotheke und löse dein Rezept ein«, bot Ann an.
»Danke, Liebes«, sagte Nana sanft. Froh, etwas zu tun zu haben, ging Ann zur Apotheke. Als sie die Tür zuknallte, weckte sie uns alle auf. Wie aufs Stichwort lösten wir unsere Gurte und stiegen aus.
Drinnen veränderte sich Iris’ Stimmung. Sie ging die Post durch, klemmte sich einen Umschlag unter den Arm und rannte nach oben.
»Was ist denn los?«, fragte ich, als sie außer Hörweite war.
»Deine Mutter hat finanzielle Probleme«, erklärte Nana, während sie sich bemühte, es sich auf dem Sofa bequem zu machen.
Diese Enthüllung war keine große Neuigkeit. Iris war bekannt dafür, Geld zu verschwenden. Oft hatte sie einen Kleiderkaufrausch, der dann zwei Jahre lang abbezahlt werden musste. Früher waren es Küchenmaschinen und Edelstahlgeräte gewesen, obwohl sie nie kochte. Ein anderes Mal trieb sie die Telefonrechnung mit Ferngesprächen nach Tasmanien in die Höhe, sie hatte einen Mann im Internet kennen gelernt. Ein bisschen neugierig war ich schon, wofür sie jetzt Geld ausgegeben hatte, aber bevor ich fragen konnte, kehrte Ann mit dem Morphium zurück.
»Das sollte helfen«, sagte sie, als sie meiner Großmutter die volle Tropfflasche hinhielt. Nana öffnete den Mund und ließ die winzigen Tropfen auf ihre Zunge fallen.
»Ich gehe in mein Zimmer, um mich auszuruhen«, sagte sie leise und ging nach oben.
Ann und ich saßen im Wohnzimmer und lauschten auf ihre gedämpften Schritte. Als die Tür geschlossen wurde, brach Ann in Tränen aus. Wir waren eigentlich keine emotionale Familie. Wir begrüßten uns mit der obligatorischen Umarmung und einem Kuss, aber ansonsten pflegten wir keinen sehr körperlichen Umgang. Als Ann schluchzend auf dem Sofa zusammensackte, saß ich also nur da und beobachtete sie.
»Ich weiß, es ist schrecklich«, sagte ich und sprach das Offensichtliche aus. »Ich war das ganze Wochenende fertig. Bin ich immer noch.«
Als Ann schließlich ihre Tränen wegwischte, legte ich einen Arm um sie. Da kam Iris ins Zimmer, ihre Tasche über der Schulter. An ihren Augen sah ich, dass sie
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