Mr. Hunderttausend Volt!
über die anwesenden Jungs oder Mädchen zu tuscheln, zu flirten oder den neusten Unitratsch auszutauschen.
Jessica sah nicht nach rechts und links. Mit stoischer Ruhe klatschte sie die Pommes auf die Teller, reichte sie an ihre Kollegin weiter, die die Hamburger dazulegte und fuhr erneut mit der Kelle in den Pommescontainer.
In Gedanken war sie bei dem vergangenen Wochenende. Die Erinnerung daran ließ sie sogar die penetranten Essensgerüche vergessen.
Wieder eine Kelle Pommes frites... Die Wasser des Niagara dröhnten in Jessies Ohren...Pommes...Sie hantierte rein automatisch.
Plötzlich hielt jemand ihre Hand fest.
Wütend blickte Jessica auf, bereit, den Frechling in seine Schranken zu weisen. Aber die Worte blieben ihr im Halse stecken. Der Frechling hieß Jonas Carpenter und stand verlegen lächelnd vor ihr.
Jessica blinzelte verwirrt. Sofort war die Erinnerung an den heißen Kuss wieder lebendig, den sie in seinem Büro getauscht hatten. Jessie schluckte und versuchte, sich auf Jonas negative Eigenschaften zu besinnen, um sich wieder unter Kontrolle zu bringen.
Tatsächlich, Jonas lächelte. Dann war er wahrscheinlich besonders gefährlich. Aber wie um alles in der Welt kam er hierher? Und vor allem, wieso?
In seinem schicken Freizeitdress wirkte er immerhin etwas "menschlicher" als in dem strengen Geschäftslook, in dem er Jessica in seinem Büro gegenübergetreten war.
"Hallo, Miss Barnes." Es klang höflich. "Ich bin hierhergekommen, um einmal ernsthaft mit Ihnen über meinen Sohn zu sprechen. Gibt es hier ein Plätzchen, an dem wir ungestört miteinander reden können?"
"Nein", entfuhr es Jessica, bevor sie über die Zurückweisung nachdenken konnte. Doch dann besann sie sich eines anderen: Es war sicher klüger, einen Mann wie Jonas Carpenter nicht dauernd vors Schienbein zu treten. "Sie müssen sich leider gedulden, bis ich Feierabend habe. Dann können wir drüben in den Park gehen. Die Enten belauschen uns ganz gewiss nicht."
Zu ihrem Erstaunen glitt ein Lächeln über Jonas' Gesicht, das Jessies Herzschlag ein wenig aus dem Takt brachte. Was zum Teufel ist mit diesem Mann los?, fragte sie sich verwirrt, während sie in die dunklen Augen blickte, die hinter den Brillengläsern blitzten.
Daniel würde der Schlag treffen, wenn er seinen Vater hier sah. Jessie musste dafür sorgen, dass Jonas so schnell wie möglich vom Campus verschwand.
"Sie können aber auch in dem Café in der Flagstaff Road warten, schlug sie deshalb hastig vor. "Es heißt Monroes.“ Trinken Sie schon mal einen Kaffee oder essen Sie ein Eis. Ich bin in ungefähr einer Stunde hier fertig, eher kann ich nicht weg."
Jonas hob die Brauen. Einen Moment sah es so aus, als ob er lauthals protestieren wollte, doch dann schloss er den Mund und nickte.
"Okay." Ein belustigter Blick ging über die Schar der schwatzenden, lachenden Studenten, die den Raum füllten. "Ich warte im Café. Das hier ist wohl nicht mehr mein Stil." Damit machte er kehrt und verließ mit seinen typischen langen kraftvollen Schritten die Mensa.
"Wer war denn das?", wollte Cathy wissen, die gerade einen Stoß frisch gespülter Teller brachte.
"Jon Carpenter", antwortete Jessie noch ganz in Gedanken.
Cathy entglitten vor Erstaunen beinahe die Teller.
"Was?" Sie starrte dem Davongehenden mit großen Augen hinterher, dann wandte sie sich wieder Jessie zu. "Du kennst Jonas Car..."
Der Rest des Satzes erstarb unter Jessicas Hand, die sie hastig auf Cathys Lippen gepresst hatte.
"Sei ruhig!", zischte sie der Kollegin zu. "Das muss wirklich nicht die ganze Uni wissen."
"Okay." Cathy holte tief Luft. Jessie hatte sie beinahe erstickt. "Ist er dein Lover?"
Die Antwort war ein vernichtender Blick und ein Kopfschütteln, dann wandte Jessica sich wieder ihrer Arbeit zu. Jonas Jonathan Carpenter ihr Lover! Da lachten ja die Hühner!
Grimmig schob sie die Teller in den Container und klatschte die nächste Portion Pommes auf einen Teller.
*
Es war die verrückteste Sache, die er seit Jahren durchlebte. Jonas kann sich entsetzlich albern und zugleich hilflos vor, während er versuchte, seine Gefühle zu analysieren und wieder unter Kontrolle zu bringen.
Es konnte, nein, es DURFTE doch nicht wahr sein, dass er – ein erwachsener Mann von beinahe dreiundvierzig Jahren – wie ein verknallter Teenager durch die Welt lief.
Unsinn! Hormonstörungen, eine Psychomacke, Midlife-Crisis, für seinen Zustand kamen sicherlich verschiedene Diagnosen in Frage.
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