Mr. Hunderttausend Volt!
Dad schon mal…nee, nich‘, das ist nicht wahr?“
„Jessica, wie konntest du nur?“, meldete sich auch Carol zu Wort. „Jonas Carpenter ist gegen dich ein alter Mann! Er könnte dein Vater sein.“
Jessica sah die Blicke ihrer Freunde auf sich gerichtet. Sie spürte förmlich deren Empörung und Entsetzen über ihr Geständnis. Ihr kam es vor, als wären sie eben alle ein Stück von ihr abgerückt. Diese Distanz, der beleidigte Ton, die belehrenden Worte machten sie plötzlich ungeheuer wütend.
„Was seid ihr doch für gottverdammte Spießer!“, brach es aus ihr heraus. „Da reißt ihr eure Mäuler auf und tut weiß der Geier wie progressiv, selbstständig und tolerant und dann erzählt ihr den gleichen Blödsinn wie die Kleinbürger, die ihr so gerne belächelt.“ Sie fuhr zu Daniel herum, der vor dem Blick ihrer funkelnden braunen Augen erschreckt zurückwich. „Dein Vater darf sich nicht in dein Leben einmischen, ja? Aber ihm willst du vorschreiben, mit wem er ins Bett geht? Mal ganz deutlich, Danny, das geht dich einen feuchten Dreck an! Und jetzt erst recht, nachdem du deinem Vater den Rücken gekehrt hast.“
„Aber…“, hob Babsy zu einem Protest an, doch Jessica schnitt ihr mit einer zornigen Handbewegung das Wort ab.
„Du bist doch die Schlimmste von allen hier!“, musste Babsy sich anhören. „Du mit deinem dämlichen Ich-mache-nur-was-mir-Spaß-macht-Getue ! In Wirklichkeit bist du nichts weiter als ein Schnorrer, der zusieht, dass er so glatt wie nur möglich durch Leben kommt. Mensch, Babsy, bis vor einem halben Jahr hättest du doch noch einen zahnlosen, verknitterten neunzigjährigen Opa geheiratet, wenn er dir dafür ein hübsches Vermögen gezahlt hätte!“
„Wow, Jessie, jetzt drehst du aber ganz schön auf“, murmelte Carol zwischen Betroffenheit und Bewunderung schwankend. Es war das erste Mal, dass sie Jessica so wütend erlebte. Dieser Ausbruch machte ihr die inzwischen vertraut geglaubte Freundin so fremd, dass Carol sich ein wenig vor ihr fürchtete. Aber Jessie hatte ihr Pulver verschossen. Sie stand auf, sah jedem einzelnen noch einmal strafend ins Gesicht und wandte sich zum Gehen.
Noch Minuten später, nachdem Jessica die Küche verlassen hatte, waren die Freunde so erschüttert, dass sie nicht in der Lage waren, auch nur ein einziges Wort miteinander zu wechseln.
Gegen Morgen brach ein Gewitter über der Stadt los, das sämtliche Bürger Mainshills aus den Betten scheuchte. Blitze, grell wie LED-Lichter, zuckten über den bleigrauen Himmel. Dazu stürmte es, dass sich die Bäume im Garten bist fast zur Erde neigten und Donnerschläge erschütterten die Häuser bis in ihre Fundamente. Es war ein Morgen wie beim Jüngsten Gericht. Doch am schlimmsten war der Regen, der sintflutartig vom Himmel rauschte.
Nigel hätte am liebsten losgeheult, als sein kleines Zelt, in Fetzen gerissen, die Aspeneer Ave hinunterflog. Der Regen hatte den Rasen in einen ekligen, braungrünen Sumpf verwandelt und Nigel selbst hockte mit seiner Luftmatratze in einer riesigen Pfütze, die von Sekunde zu Sekunde größer wurde. Aber das war völlig egal, weil er inzwischen bis auf die Knochen durchnässt war.
Drinnen in dem gemütlichen kleinen Häuschen war es bestimmt warm, gemütlich und trocken. Der Gedanke an ein weiches Bett, saubere Laken und plustrige Kissen machte Nigel fast verrückt. Nur sein eiserner Wille, nicht aufzugeben, hinderte ihn daran, in sein Auto zu springen und nach Hause zu fahren. Wenn er jetzt nicht aufgab und hier hocken blieb, dann würde Carol vielleicht endlich erkennen, dass er sie wirklich liebte und bereit sein, zu ihm zurückzukehren.
‚Oder wenigstens zu deiner Beerdigung kommen, weil du dir hier eine Lungenentzündung geholt hast und die Ärzte dich nicht retten konnten‘, höhnte das kleine Stimmchen in Nigels Hinterkopf.
Es sagte noch mehr solcher Sachen, kicherte und feixte und untergrub so nach und nach Nigels Entschlusskraft. Fast war er schon so weit, der Stimme nachzugeben, da wurde drüben die Haustür geöffnet. Einen quietschgrünen Regenmantel über den Schlafanzog gezogen, stand sie da und hielt mit beiden Händen die Kapuze unterm Kinn zusammen.
„Komm rein!“ Ihre Stimme hatte Mühe, gegen das Heulen des Windes und Krachen des Donners anzukommen.
Nigel konnte sein Glück kaum glauben.
„Nun mach schon!“, brüllte Carol. „Oder willst du da draußen auf deiner Matte die Ave runterschwimmen?“
Es gab nichts, was Nigel
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