Mr Monster
Wahrscheinlich hast du Radha nichts getan, weil sie unschuldig war und weil du nur den Bösen wehtust. Deshalb habe ich dir jemanden mitgebracht, der böse ist.«
Wir betraten die Folterkammer, und da war er: Curt, der meine Schwester verprügelt hatte, gefesselt und geknebelt und gänzlich meiner Gnade ausgeliefert.
Er war bei Bewusstsein und hatte die Augen weit aufgerissen. Der Mund war mit einem breiten Streifen Klebeband versiegelt, die Füße fest im Boden verankert. Forman hatte die Dielenbretter aufgebrochen und dicke Ketten um die Balken im Boden gelegt. Die Handgelenke waren mit Seilen gefesselt, die nach oben zu den Löchern in der Decke führten. Stephanie war eher locker aufgehängt gewesen, bei Curt dagegen waren die Stricke straff angezogen. Er streckte alle viere von sich und konnte keinen Finger rühren.
Curt starrte mich entsetzt an und hatte offenbar nicht die geringste Ahnung, was hier vor sich ging. Ich wurde seit fast zwei Tagen vermisst, davon hatte er mit Sicherheit gehört, und nun stand ich auf einmal vor ihm – mit Dreck aus der Grube besudelt, mit Brandmarken auf dem Hemd, verkrustetes Erbrochenes auf der Kleidung – und konnte mich kaum auf den Beinen halten. Unverkennbar war ich ebenfalls ein Opfer und ein Gefangener. Dennoch war ich nicht gefesselt, und Forman behandelte mich höflich. Wie einen Gleichgestellten. Falls Curt Formans Worte im Flur halbwegs verstanden hatte, dann musste er noch verwirrter sein.
Und noch verängstigter.
»Da ist er«, sagte Forman. »Wenn man bei der Polizei arbeitet, hört man eine Menge – beispielsweise, dass alle fünfzehn Minuten eine gewisse Mrs. Cleaver anruft und sich über den gewalttätigen Freund ihrer Tochter beschwert. Verhaften Sie ihn, sperren Sie ihn ein, töten Sie ihn. In solchen Fällen können die Behörden leider nicht viel tun.« Er trat zur Kommode und kramte in den Werkzeugen herum. »In gewalttätigen Beziehungen sind Frauen häufig bereit, die Misshandlungen weiter hinzunehmen. Die arme kleine Lauren war viel zu eingeschüchtert, um gegen ihren Peiniger Anzeige zu erstatten. Den Sanitätern hat sie sogar erzählt, sie sei aus dem Bett gefallen, kannst du dir das vorstellen?« Er hob einen Schraubenzieher, prüfte die Klinge und legte ihn wieder weg. »Die Sanitäter konnten es auch nicht glauben, ihnen waren jedoch die Hände gebunden. Wenn das Opfer erklärt, es habe keine Misshandlungen gegeben, dann sagt das Gesetz, es war keine Misshandlung. Das Gesetz ist in dieser Hinsicht hilflos.« Er wandte sich um und hielt ein schmutziges altes Skalpell hoch. »Du dagegen bist nicht hilflos.«
Er kam zu mir und bot mir das Skalpell an. »Das willst du doch, oder? Du bist ein Racheengel. Du willst niemandem wehtun, aus welchem Grund auch immer, falls er es nicht verdient hat – und wer verdient es mehr als Curt? Du hast gesehen, was er deiner Schwester angetan hat. Glaub nur nicht, dass er irgendwann aufhört. Immerhin ist er damit durchgekommen, was sollte ihn also davon abhalten, es noch einmal zu tun? Er kann sie ohrfeigen und verprügeln, bis sie bewusstlos zusammenbricht, und wird immer wieder davonkommen. Nichts kann ihn aufhalten.«
Er drückte mir das Skalpell in die Hand. »Nichts und niemand außer dir.«
Curt schüttelte heftig den Kopf, Tränen traten ihm in die Augen. Als Opfer sah ich ihn allerdings nicht – ich sah immer nur Laurens Gesicht vor mir, rot, blau und schwarz. Sie hatte an der gleichen Stelle wie ich einen Riss auf der Wange. Ich hob die Hand und berührte die Narbe. Die meine hatte ich verdient, doch Lauren war völlig unschuldig. Curt hatte sie kaltblütig verprügelt.
Ich tat einen Schritt auf ihn zu. War es nicht die gleiche Entscheidung, die ich schon einmal bei Mr. Crowley getroffen hatte? Es ging doch darum, einen bösen Menschen daran zu hindern, Unschuldigen etwas anzutun. Anfangs hatte ich sogar die Cops gerufen, doch sie waren gestorben. Die Ordnungshüter waren mit Crowley nicht zurechtgekommen, und da niemand sonst dazu in der Lage gewesen war, hatte ich eingreifen müssen, und das traf auch jetzt wieder zu. Die Polizisten konnten nichts tun außer herumsitzen und tatenlos zusehen, wie er sie weiter schlug, immer wieder, bis sie sich endlich dazu überwand, ihn anzuzeigen. Durfte ich das guten Gewissens zulassen? Nicht, wenn ich das gleich hier und jetzt ein für alle Mal unterbinden konnte.
Ich tat einen weiteren Schritt.
Aber nein, diese Situation war anders. Crowley war ein
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