Mr Monster
Wir hatten schreckliche Angst, nur Formans Gesicht war vor Wut verzerrt. Radha erfüllte ihn mit ihrem Zorn, und er nahm ihn dankbar in sich auf.
Dann auf einmal bewegten sich die Bretter nicht mehr, und Radhas Wut war verebbt.
Es war eine sichtbare, körperliche Veränderung. Die Muskeln in Formans Gesicht und Körper, noch eben vor Zorn angespannt, wurden schlaff und verkrampften sich sofort von Neuem, dieses Mal jedoch vor Angst. Er lauerte nicht mehr wie ein Raubtier gebückt über der Kette, sondern wich mit weit aufgerissenen Augen entsetzt zurück. Sein Atem ging schneller, er ließ die Drähte fallen, presste die Hände vor die Brust und schluckte schwer. Er schwitzte, wich noch weiter zurück, wollte sich aufrichten und wegrennen, doch dann ließen ihn die Beine im Stich. Er kroch zu den Frauen hinüber, als suche er dort Schutz. Diese pressten sich voller Angst an die Wand. Forman heulte, es war ein animalischer, panischer Schrei, und rollte sich auf dem Boden zusammen. Nicht weit entfernt lag seine Waffe auf dem Boden. Forman war ausgeschaltet.
Das also war Radhas Plan gewesen. Auch die Frauen wussten, dass Forman jedes Mal zusammenbrach, nachdem er eine von ihnen getötet hatte – die Emotionen der anderen Frauen und des Opfers im Augenblick des Todes überwältigten ihn. Dieses Wissen hatten sie nie ausnutzen können, weil sie immer angekettet gewesen waren, doch ich war frei. Radha hatte sich geopfert, um ihn in diesen Zustand zu versetzen, und dies war der Augenblick, da ich daraus einen Vorteil ziehen und ihn erledigen sollte.
Die Drähte waren näher als die Pistole, nur ein paar Schritte entfernt. Ich hob sie rasch auf und achtete darauf, nur das Plastik zu berühren. Als ich mich Forman näherte, brachen seine Schreie ab – er spürte meine Klarheit, schüttelte die Angst der Frauen ab und riss sich zusammen. Viel Zeit blieb mir nicht. Ich beschleunigte meine Schritte und sprang ihn mit den erhobenen Drähten an, doch im letzten Moment schossen seine Hände nach oben, und er packte mich an den Handgelenken.
Wie konnte er nur so schnell sein?
Ich wehrte mich und wollte die Drähte senken, um ihn irgendwo mit dem blanken Metall zu berühren, doch er war zu stark. Langsam kam er wieder zu sich, und zugleich nahm seine Entschlossenheit zu. Er bog mir die Arme zurück. Ich rechnete schon damit, dass er die Drähte auf mich richten werde, doch er lenkte sie zur Seite ab. Er durfte mich nicht unter Strom setzen, denn ich war völlig nass, und wenn ich einen Schlag bekäme, würde auch er etwas davon abbekommen. Anscheinend wollte er das vermeiden, und dies wiederum bedeutete, dass es ihm wehtun würde.
Wenn es ihm wehtat, dann wollte ich es tun.
»Gib niemals nach«, sagte ich und zog die Hände in eine andere Richtung, zu mir hin statt von ihm fort. Weißes Feuer durchzuckte mich, alle Muskeln im Körper verkrampften sich und brannten höllisch, dann wurde es schwarz um mich.
NEUNZEHN
Mein drittes Date mit Brooke erwies sich als unmittelbare Fortsetzung unserer zweiten Verabredung. Wir trugen bunte Touristenkleidung und besuchten das Schuhmuseum, hielten Händchen und lachten in den Räumen und Gängen zwischen den ausgestellten Schuhen. Es gab graue Gamaschen, die zu alten Uniformen gehörten, bunte Turnschuhe mit Klettverschluss aus den Achtzigerjahren. Verstellbare Holzschuhe aus England, Pantinen und hohe Sandalen aus Japan, schwere Clogs aus Dänemark. Stiefel aus Alligatorleder, Schlangen-und Haifischleder. Laufschuhe mit langen Metallstollen. Schneeschuhe, Stelzen.
Irgendwo unten im Flur hörte ich eine Stimme, vertraut zwar, aber unmöglich zu erkennen. Ich wandte mich zu Brooke um und wollte sie fragen, ob sie die Stimme erkenne, doch auf einmal war sie weg. Erneut hörte ich etwas, und dieses Mal war es ganz sicher Brookes Stimme. Ich folgte dem Klang durch ein Gewirr von Schuhen und Regalen. Die Gänge waren lang und liefen weit vor mir in einem einzigen Punkt zusammen. Hinter jeder Ecke entdeckte ich weitere Räume und noch mehr Schuhe, bis ich schließlich erkannte, dass sogar die Wände aus Schuhen bestanden, aus riesigen Haufen, als hätte jemand in einem gewaltigen Berg aus Schuhen eine Höhle gegraben. Brooke rief mich und drängte mich zu erwachen. Meine eigenen Schuhe waren verschwunden, ich hatte kalte und nasse Füße. Als ich mir ein neues Paar Schuhe aus der Wand nehmen wollte, berührte ich nackten Beton.
Ich war in Formans Keller, ich war wach, und mir war kalt. Mit
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