Mr Nanny
wenn noch so viele Tische frei sind. Durchs Fenster kann man die samtweichen, pfirsichfarbenen Sitzbänke bewundern, die schicke kleine Mahagonitische umfangen wie ein Liebhaber seine Geliebte. Gutaussehende französische Kellner Ende zwanzig schlängeln sich in Jeans und gestärkten gelben Oxford-Hemden zwischen den Tischen hindurch.
Meine besten Freunde haben sich das gepflegte Speisen in exklusiven Restaurants nicht zur Lebensaufgabe gemacht, so wie Susannah Briarcliff. Die meisten von ihnen haben einen richtigen Beruf, aber Susannah gehört zu den wenigen Bewohnern des Grids , für die ich gerne ein paar Beleidigungen auf mich nehme, um sie zu sehen. Wer Susannah sieht, vergisst leicht, dass sich hinter ihrem umwerfenden Äußeren und ihren Vollblutgenen ein ausgesprochenes Partygirl verbirgt. Man findet fast in jeder einschlägigen Zeitschrift, die über die Partys der High Society berichtet, ein Bild von ihr - in Harper’s Bazaar , der Vogue , auf der Gesellschaftsseite der New York Times . Susannah hat zwei Kinder, drei Hunde und eine ganze Armee von Hausangestellten. Ach ja: und eine der größten Dachwohnungen in der City. All dies aufgrund ihrer Abstammung von einer der bedeutendsten Immobilien-Dynastien des Landes. Sie ist eins siebzig groß, hat eine schlanke, sportliche Figur und einen lässigen, blonden Meg-Ryan-Haarschnitt. Sie ist außerdem mit einem Chefredakteur der NewYork Times verheiratet, was sie von dem Heer anderer East-Side-Prinzessinnen unterscheidet, die meist mit öden Bankern verheiratet sind. Sie gehört zwar nicht zum Kreis meiner engsten Freunde - diese Plätze werden von Kathryn und Abby und Charles aus der Arbeit besetzt -, folgt aber knapp dahinter.
Ich schlüpfte neben sie auf die dick gepolsterte, pfirsichfarbene Sitzbank. »Jamie. Du siehst gut aus. Wirklich gut.«
»Sicher habe ich was ganz Falsches an...«
»Hör auf damit.«
Zwölf der fünfzehn Tische waren von New Yorks »jungen Reichen« in mit Pelzkrägen verbrämten Pullis und ihren schwulen Party-Planern besetzt, die meisten davon Scharlatane, die 350 Dollar pro Stunde verlangten, nur um ihrer illustren Klientel dabei zu helfen, sich für das richtige rubinrote Wasserglas zu entscheiden, das zu ihrem Kasbah-Style-Dinner für zwölf passte. Oder dem verunsicherten Luxusgeschöpf den passenden Leopardenmuster-High-Heel zum schlichten Schwarzen herauszusuchen.Wenn eine von diesen Frauen sich ein auch nur ansatzweise augenfälliges Teil für die Saison anschafft, muss sie es noch im alten Jahr ins Feuer werfen. Und sobald eine Bluse oder ein Top einmal in der Vogue erschienen ist, ist es für diese Frauen bereits passé. Ich musterte meine Khakihose, die weiße Bluse und den schlichten schwarzen Seidenblazer. Wenn ich meiner Mutter von diesen Frauen erzählen würde - und wie oft ich das Gefühl habe, nicht gut genug für diese Kreise zu sein -, würde sie mich ausschimpfen, dass ich mich überhaupt von ihrem Nonsens beeinflussen lasse. »Wie kannst du erwarten zu erreichen, was du erreichen willst, wenn du glaubst, dich mit diesen Leuten messen zu müssen? Dass du da nicht dazupasst, ist keine Schwäche; diesen Unsinn hast du doch gar nicht nötig.«
In diesem Moment platzte Ingrid Harris ins Lokal, Nanny und vierjährige Tochter Vanessa im Schlepptau. Jean-François stolperte beinahe über seine dick besohlten französischen Halbschuhe, um sie zu begrüßen. » Chérie !« Bussi-Bussi.
Er schnippte mit den Fingern, und Francesca nahm Ingrid diensteifrig den langen, nussbraunen Schal von den Schultern. Anschließend öffnete sie die Haken an Vanessas Regenmantel und enthüllte ein rosa Ballettröckchen. Die Nanny, an den Drill gewöhnt, stand im Hintergrund und hielt geduldig ihren Mantel im Arm.
Ingrid war einfach verboten schön: Sie hatte weit auseinanderstehende, himmlisch braune Rehaugen und eine lange, stufig geschnittene karamellbraune Mähne, die sie mit einer großen Jackie-O.-Style-Sonnenbrille aus dem Gesicht geschoben hatte. Ingrid wusste, vielleicht besser als jeder andere, dass Stil eine Frage der Einstellung und des Auftretens ist. Sie trug eine zerschlissene Jeans und dazu eine viertausend Dollar teure, limonengrüne Chanel-Jacke, als hätte sie sie mal eben vom Boden ihres Kleiderschranks aufgeklaubt. Nicht was man trägt, ist wichtig, sondern wie man es trägt. Man darf nicht zeigen, wie stolz man auf seine neue, sündteure Jacke ist. Dann würde man sofort zu erkennen geben, dass man nicht
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