Mr Nanny
Baby.«
»Entschuldige. Ich muss mich mit jemandem treffen. Ich will nicht, dass er sich in unseren Katakomben verirrt. Ich ruf dich an.«
»Mit wem triffst du dich denn?«, rief er mir nach.
»Na ja, es ein Vorstellungsgespräch.« Die Hände an die Mundwinkel gelegt, flüsterte ich ihm zu: »Mannys.«
»Zeugt von einer höchst professionellen Einstellung, so was am Arbeitsplatz zu machen«, rief er mir beim Weitergehen über die Schulter zu.
Ob professionell oder nicht war mir egal. Hier merkte doch sowieso niemand, was der andere machte; hier waren alle total verrückt. Die ersten beiden Bewerber, die ich zu Hause empfangen hatte, hatten einen eher zwielichtigen Eindruck gemacht, daher hatte ich beschlossen, die Vorstellungsgespräche sicherheitshalber in mein Büro zu verlegen. Der eine hatte fettige Haare gehabt und war im Trainingsanzug aufgetaucht, dessen schmuddelige Hose er ein wenig zu hoch gezogen hatte. Der andere hatte sich kein einziges Lächeln entlocken lassen. Ich hatte mich mit einer Personalvermittlungsagentur in Verbindung gesetzt und bis jetzt schon ein halbes Dutzend Bewerber interviewt, alles junge Männer, die an dem Nachmittagsjob als Dylans Babysitter interessiert waren: arbeitslose Schauspieler oder Kellner, Konzertmusiker, die ein wenig Taschengeld gebrauchen konnten, Trainer, auf der Suche nach zusätzlicher Arbeit. Aber sie waren alle falsch. Entweder sie redeten zu viel oder zu wenig. Und keiner von ihnen schien die Erfahrung zu besitzen, die nötig war, um mit einem Kind wie Dylan fertig zu werden. Ich wollte jemanden, der sich nicht von ihm manipulieren ließ, der es aber auch schaffte, ihn aus seinem Schneckenhaus zu locken.
Nathaniel machte einen fabelhaften Eindruck, zumindest auf dem Papier. Sein Lebenslauf war beeindruckend: Highschoolabschluss an einer angesehenen staatlichen Schule hier in der Stadt; arbeitet als Sportlehrer an einer kleinen Schule in Harlem, obwohl er erst zwanzig ist. Er wolle später vielleicht noch studieren, hieß es da. Ich hatte den Rektor der Schule angerufen und mich erkundigt: Nathaniel schien höchst zuverlässig zu sein und war offenbar sehr beliebt.
Als ich den Empfangsbereich betrat, wurde ich von einem jungen Burschen in übergroßem Kapuzenpulli mit Tupac-Logo erwartet, dessen Ärmel bis zu seinen Fingerspitzen reichten und unter dessen Kapuze ich sein Gesicht kaum erkennen konnte. »Sie müssen...«
Er streckte mir die Hand entgegen. »Nathaniel.«
»Kommen Sie doch bitte mit«, sagte ich, so freundlich ich konnte.
Wir gingen in mein Büro, und ich bot ihm einen Platz an. Er nahm weder die Kapuze ab, noch schaute er mir in die Augen.
Ich öffnete meine Manny-Mappe und versuchte dabei, nicht zu vorschnell zu urteilen. Vielleicht war dieser Junge ja das perfekte Gegenmittel für Dylans Malaise, vielleicht brauchte er einen toughen Boy from the Hood als Kontrast zu seinem abgeschotteten Leben im Grid . Aus den Referenzen dieses Burschen ging hervor, dass er verborgene Talente besaß, dass er ein Händchen dafür hatte, auch an schwierige Kinder heranzukommen. Und was wusste ich schon über Mannys? Ich hatte noch nie einen angestellt. Ich schaute noch einmal in seinen Lebenslauf.
»Sie trainieren also eine Mannschaft in Harlem, ja?«
Er blickte nicht auf. »Yeah.«
»Bloß Basketball oder noch andere Sportarten?«
»Beides.«
»Beides? Sie meinen Basketball und noch vieles andere?«
»Yeah.«
»Entschuldigen Sie, was genau? Basketball und noch eine Sportart oder viele?«
»Bloß Basketball und manchmal auch Baseball.« Er blickte noch immer nicht auf.
Charles tauchte in meinerTür auf, ließ den Blick über Nathaniel gleiten und schaute mich dann an, als hätte ich den Verstand verloren. Dann kam er rein, bloß um mich zu ärgern und noch nervöser zu machen.
»Oh, hallo. Wusste ja gar nicht, dass du einen Interviewgast hast...« Er ließ sich auf mein Sofa plumpsen.
Ich seufzte und bedachte ihn mit einem genervten Blick.
»Charles, das ist Nathaniel. Nathaniel, Charles ist ein Kollege von mir; er wollte nur kurz reinschauen.« Ich funkelte Charles an. »Aber jetzt, Charles, muss ich dich leider bitten zu gehen, denn dies ist ein vertrauliches Gespräch.« Ich bedachte ihn mit einem falschen Dukannstmichmal-Lächeln. Er erwiderte es und ging.
Zwanzig Minuten später, nachdem ich Nathaniel zum Ausgang zurückgebracht hatte, tauchte Charles erneut auf. Wenn er nicht an einer Sache arbeitet, kommt er gern in mein Büro, um
Weitere Kostenlose Bücher