Mr Nanny
Wo du doch so schlau bist! Alle sagen das: ›Jamie ist so klug. Jamie ist so klug. Lalala.‹ Das höre ich andauernd. Mein Mann George will unbedingt neben dir sitzen. Er hat gesagt, er will an dem Tag die Zeitung ganz besonders gründlich durchlesen, aber ich soll’s dir ja nicht verraten, also sag nicht, dass ich’s dir gesagt hab!«
»Nett von dir, mir zu sagen, dass ich klug bin, Christina, aber auch kluge Leute wissen nicht alles.«
Sie neigte den Kopf zur Seite, verengte die Augen und starrte in unbestimmte Fernen. »Ich versteh nicht ganz, was du meinst, Jamie.«
Gott, die Frau war geistig zurückgeblieben.
»Mami, jetzt koooomm schon.«
Danke, Gott.
»Vielleicht könnte ich ja Gracie erst mal rauf in ihre Gruppe bringen, und du mailst mir einfach die Überraschung, ja?« Ich wackelte mit den Augenbrauen, wie ich es immer tue, wenn ich den Kindern eine Idee schmackhaft machen will.
»John Henry Wentworth hat heute Morgen angerufen. Er ist unser Nachbar.«
»Wer?«
»Das ist ein Witz, oder? Haha, Jamie, du bist urkomisch! Nein, du weißt doch, dass John Henry Wentworth der Chefredakteur vom Madison - Avenue -Magazin ist?« Sie blickte mich ein wenig besorgt an. Zu Recht.
Oje. »Und?«
»Er möchte unseren Tisch für die Februarausgabe fotografieren. Er will ein paar riesige, zwei Meter große Modelle von den Fabergé-Eiern machen, mit funkelnden Steinen, einige aufrecht, die anderen liegend.« Sie fuchtelte wie wild herum, um mir die Idee deutlich zu machen. »Und dann sollen wir Ladys von unserem Tisch davor posieren, ganz in Weiß.«
»Dieser Wentworth kennt mich doch gar nicht, für den bin ich ein Niemand. Mach du das ruhig mit deinen Freundinnen, mir liegt so was nicht.«
»Nun, ich musste ihm schon erklären, wer du bist, weil, na ja, du bist eben nicht so aktiv auf dem Society-Parkett.«
Sie sagte das entschuldigend, als fürchte sie, mich damit zu kränken.
»Ich meine, das ist natürlich deine Entscheidung. Du arbeitest. Du hast keine Zeit. Aber als ich ihm erzählt hab, wer du bist, fand er’s eine gute Idee, wenn du mitmachen würdest. Ich meine, du gehörst ja immerhin zu unserem Tisch, also wär es doch komisch, wenn du nicht mit drauf wärst, selbst wenn du, du weißt schon, nicht...«
»Ich glaube nicht, dass ich dazupassen würde.«
»Jamie! Die werden weiße Abendkleider für uns entwerfen, die frisieren uns, alles! Und dann sollen wir diese Roben auch zum Ball tragen. Die haben Carolina Herrera verpflichtet, stell dir vor! Einer von ihren Stylisten wird uns einkleiden. Nicht zu fassen, oder?«
Dann bräuchte ich mir nicht mehr den Kopf über ein Abendkleid zu zerbrechen, müsste nicht stundenlang durch Boutiquen rennen, ein Schweinegeld dafür hinblättern, ganz zu schweigen von dem blöden Pelzthema …
»Und den Schmuck kriegen wir von Verdura!«, krähte sie triumphierend.
Selbst ich Modemuffel wusste, dass Verdura der größte italienische Schmuckdesigner des vergangenen Jahrhunderts war.
Das wurde ja allmählich interessant. Mehr noch: verlockend. »Mal sehen, ob ich dich richtig verstanden habe: Ich kriege für die Fotoaufnahmen - und hinterher für den Ball - ein Kleid von Carolina Herrera, vielleicht sogar extra für mich entworfen. Und von Verdura kriege ich für den Abend Schmuck im Wert von... ja, wie viel eigentlich?«
»So um die zwanzigtausend, würde ich schätzen. Das Einzige, womit du rechnen musst, sind die Security-Leute. Könnte sein, dass die den ganzen Abend über ein klitzekleines Auge auf dich haben.«
»Kriege ich auch Schuhe?«
»Klar. Und eine Handtasche von Judith Leiber.«
»Darf man die behalten?«
»Schuhe und Handtasche: ja. Kleid und Schmuck: definitiv nein.«
»Warum sollte das Madison Avenue so was machen? Die kennen mich doch nicht mal.«
»Die brauchen eine Titelseite, und der Dupont-Ball ist die größte Party des Jahres. Ist gute Publicity für die Designer.«
»Das wird einen Titelseite ?«
»Na ja, sie wollen drei Tische fotografieren. Ich hoffe , dass unserer auf die Titelseite kommt, aber drin sind wir auf jeden Fall.«
»In Ordnung, Christina, ich werde es mir überlegen. Ich muss Gracie jetzt raufbringen, wir sind spät dran.«
»John Henrys Büro wird wegen der Anproben bei dir anklopfen«, rief sie mir hinterher, während sie gleichzeitig ihre Tochter Lucy die Treppe hinaufschob.
Ich musste ein Lächeln unterdrücken.
Später an diesem Tag wurde ich von Peter an der Haustür abgefangen. Ich sagte:
Weitere Kostenlose Bücher