Mr Nanny
verheiratet. Das wäre dann schon einmal.«
»Na gut.« Er stieß die Kühlschranktür zu. »Was ich damit sagen wollte: Ich hab das bis jetzt noch nie gemacht.«
Ich musterte ihn misstrauisch.
»Ich meine, Frauen sind sonst nicht so aufdringlich. Ich war geschockt. Total geschockt. Es hat mich umgehauen. Buchstäblich, wenn Sie’s genau wissen wollen.«
»Ich will’s nicht genau wissen.« Oh doch, das wollte ich. Und wie. Ich wollte mich mit jeder unerträglichen Einzelheit quälen. Die Filmversion hatte ich ohnehin schon zigmal rauf und runter gespielt: Ingrid, wie sie eine ihre bissigen Bemerkungen macht, wie er lacht. Beide stehen im Gang. Er berührt ihren Arm und lässt dann die Hand dort liegen. Sie drückt sich plötzlich an ihn und fängt an, an seinem Ohrläppchen zu knabbern, mitten auf dem Flur. Er kriegt so was von einem Steifen, und dann ist er es, der sie in den Wäscheschrank schubst, nicht sie ihn. Er ist scharf auf sie , nicht auf mich.
»Hören Sie, ich weiß, es war ein Fehler - einer, den sie initiiert hat. Und ich hab mich bereits dafür entschuldigt. Es tut mir ehrlich und aufrichtig leid. Aber so blöd es auch gewesen sein mag, es war nicht gegen Sie gerichtet. Es hatte überhaupt nichts mit Ihnen zu tun. Mit Ihnen und mir.«
Mit ihm und mir.Wir beide. Ich wollte das nicht hören. Oh Gott, ich wollte es hören. Er und ich. In meinen rationaleren Momenten war mir durchaus klar, dass der Mann mich wirklich mochte, ja vielleicht sogar bewunderte, aber dass er tatsächlich in mich verknallt sein könnte, das konnte ich mir nicht vorstellen, nein, keine Sekunde lang. Überdies versuchte ich, mir einzureden, dass meine Schwäche für Peter aus der Krise resultierte, in der meine Ehe steckte, dass sie nichts Natürliches, Organisches war, sondern lediglich ein Symptom für all das, was in meinem Leben schieflief.
»Hey, ich mach mir nichts aus ihr. Ehrlich.«
»Sie sind ein ziemlich großer Junge. Schwer vorstellbar, dass etwas Sie so umhauen könnte.«
»Ich hab doch gesagt, es war eine Situation, in der es verflucht schwer war, nein zu sagen. Wir waren in ihrem Haus, in ihrem Schrank, und sie war in dieser verrückten Stimmung, die alles überrollt hat...«
Ich schaute ihn an und schrie: »Wie bitte?«
»Ist es wirklich zu viel verlangt, dass Sie mir noch mal eine Chance geben? Sie sind seit Tagen kalt wie ein Eisblock. Könnten Sie sich nicht mal für eine Minute in meine Lage versetzen? Das Ganze von meinem Standpunkt aus sehen? Ich war so von den Socken, ich konnte nichts machen.«
»Ich will das nicht mehr hören.«
»Fein. Ich will’s auch nicht mehr wiederholen.«
Er nahm noch ein Glas aus dem Schrank, füllte es mit Wasser und reichte es mir - unter diesen Umständen ein reichlich lahmes Friedensangebot. »Das scheint Sie ganz schön verletzt zu haben.«
»Spinnst du?«
»Dann hab ich dich also nicht verletzt?«
»Nein, natürlich nicht. Sie arbeiten hier.«
Wo war das Du auf einmal hergekommen? Jamie, pass auf!
Er schlug mit der Faust gegen die Wand und sagte sarkastisch: »Ja, genau, ich arbeite hier. Mehr nicht.« Er hätte Foul schreien, hätte Türen knallend davonstürmen können, aber es fiel ihm überhaupt nicht ein, sich auf mein Niveau herabzubegeben. Er wischte meine unfaire Attacke beiseite, als wäre sie nichts gewesen. »Netter Versuch, Lady. Aber so läuft’s nicht. Ich tu mehr als nur hier arbeiten. So kommst du mir nicht davon.«
»Ja, gut, in Ordnung. Du bist nicht nur...«
»Nicht nur was? Sag’s mir.« Er tippte grinsend mit der Schuhspitze auf den Boden.
»Du weißt schon, Peter.«
»Was? Nicht nur der Manny?«
»Ja.«
»Dann sag’s.«
»Was sagen?«
»Sieh mich an und sag: ›Peter, du bist nicht nur der Manny.‹«
»Kommt nicht in Frage.«
»Komm schon. Ich hab’s nötig. Das war ganz schön gemein vorhin. Das weißt du genau. So leicht kommst du mir nicht davon.«
»Was soll das heißen? Du kommst mir nicht so leicht davon! Du bist derjenige, der in Ingrids Wäscheschrank gelandet ist.«
»Sag es.«
Ich spürte, dass ich rot wurde, und musste ein nervöses Lachen unterdrücken. »Das ist doch albern.«
»Komm schon. Bitte.«
»Na gut!« Ich verdrehte die Augen. »Du bist nicht nur der Manny.«
»Puh.« Er tat, als würde er sich den Schweiß von der Stirn wischen.
Wir schwiegen beide einen Moment lang. Uns wurde bewusst, dass wir soeben eine Schwelle überschritten hatten und nun - ja, was waren? Freunde? Waren wir jetzt
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