Mr. Pattapu und das Geheimnis des alten Hauses
eines mit der englischen Königin.
Wie konnte dieser dicke Kater da so ruhig bleiben und sich weiter Tag für Tag auf dem Sofa
herum lümmeln? Melody regte sich innerlich darüber auf und machte ihrem Unmut dadurch
Luft, dass sie morgens oder abends wie ein silbergrauer Blitz durch die verlassenen Flure und
Zimmer raste und oft genug Rosie vor die Füße lief. Einmal wäre fast ein Tablett mit teurem
Porzellan dabei zu Bruch gegangen. Doch all ihr Zorn und ihre Raserei halfen nichts. Sie
mussten nun zusammen halten! Vergessen war ihr alltäglicher Streit darum, wer den längsten
Stammbaum und die adeligste Abstammung hatte!
Zum ersten Mal machte sich Melody auch nicht mehr über den leichten Sprachfehler von Mr.
P., wie sie ihren Mitbewohner respektlos nannte, lustig. Wenn der dicke Kater sprach– wobei
er sich stets sehr gewählt ausdrückte - dann kam am Ende jedes dritten Satzes meist so ein
nasales „schnööö“ heraus. Das klang einfach lächerlich, befand die hübsche Melody. Sie
bemerkte einmal, dass er sich anhören würde wie eine erkältete Hupe, worauf sich Mr.
Pattapu beleidigt zurückgezogen und zwei Tage nicht mehr mit ihr gesprochen hatte.
Mr. P. war seinerseits Melodys arrogante Art zuwider. Früher hatte er versucht, seine
vierbeinige Mitbewohnerin zu ignorieren. Das war schwer genug gewesen, denn ihre Anmut
bezauberte alle Besucher des Majors– die meist aus alten Armeekameraden bestanden. Sie
entschied dann immer recht willkürlich, wem sie ihre Gunst schenken wollte oder nicht. So
hatte sie oft im Mittelpunkt bei einer Teegesellschaft oder einem Herrenabend gestanden. Ja,
er war ein wenig eifersüchtig auf sie gewesen, das gab er heute offen zu!
Aber auch das war angesichts des betrüblichen Vorfalles in der letzten Nacht nicht mehr so
leicht möglich. Der Tod von Major Fowley änderte alles. Nach der Beerdigung fanden kaum
noch Besucher den Hügel hinauf in das alte Haus. Selbst die sonst so fröhliche Rosie schlich
eher bedrückt durch die Flure des schönen alten Anwesens. Zwei Dienstmädchen halfen ihr
drei Mal in der Woche beim Saubermachen. Das war die einzige Abwechslung die es noch
gab. Es waren schwere Wochen für die drei Bewohner von Whitstable Manor.
Erst die Testamentseröffnung
– bei der nur Rosemary und die beiden Katzen anwesend waren
– löste die Anspannung der letzten Zeit
etwas auf. Der alte, grauhaarige Major hatte
scheinbar
keine Angehörigen
mehr
gehabt. So
setzte Major
Fowley
seine
Katzen als
Alleinerben ein und beauftragte Rosemary mit deren Betreuung und der Verwaltung des
Anwesens. Dafür bekam sie ein lebenslanges Wohnrecht und ein festgelegtes Gehalt. Solange
eine der Katzen lebte, würde auch Rosemary hierbleiben dürfen! Sie atmeten alle drei auf.
Zumindest würden sie nicht ihr Zuhause verlieren!
* * *
Einige Monate gingen ins Land. Es war erneut Sommer geworden und die beiden Katzen
sonnten sich auf der überdachten Terrasse. Rosemary hatte gerade frischen Tee gemacht, sich
zu ihnen in einen der Rattanstühle gesetzt und genoss die Ruhe. Nur die Insekten summten
um sie herum. Es duftete herrlich nach englischen Rosen. Die Sonne machte Mensch und Tier
schläfrig. Plötzlich schreckten sie alle drei hoch. Die Türglocke hatte geläutet! Normalerweise
verirrte sich kaum jemand in diese abgelegene Gegend, außer den Lieferanten, einigen
Handwerkern und dem Postboten. Aber um diese Zeit an einem Samstag? Das war mehr als
ungewöhnlich. Die Haushälterin eilte quer durch die Eingangshalle zum Portal.
„Ein Telegramm für Sie“, grüßte ein uniformierter Bote, als sie die Türe öffnete. Rosemarys
große, blaue Augen hinter der Brille mit dem Goldrand wurden noch größer.
„Ein Telegramm? Für mich?“, wiederholte sie ganz erstaunt.
„Hier unterschreiben
!“, forderte der Uniformierte. Rosemary tat wie ihr geheißen. Der Bote
tippte grüßend an seine Mütze, lief die Treppen hinab, die bis zum Gehsteig führten– immer
zwei Stufen auf einmal nehmend –, schwang sich wieder auf sein Fahrrad und radelte davon.
Rosie blickte ihm kurz nach. Dann riss sie den Umschlag auf und las mit zitternden Händen:
„ Entfernte Verwandtschaft aus Kanada hat sich gemeldet – Stopp – Will Testament anfechten
– Stopp – Ankunft in etwa zwei Wochen - Stopp – Werde der Sache nachgehen– Stopp –
Notar Hainsworth“
Die Haushälterin erstarrte. War ihr Zuhause nun doch in Gefahr? Sie konnte sich nicht
erinnern, dass der Major jemals von
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