Mr. Pattapu und das Geheimnis des alten Hauses
weiß nicht, ob sie sich an den Major erinnern wird.“
Die ältliche Dame mit den gütigen Augen blickte den Notar dankbar an. „Ich bin Ihnen
äußerst dankbar, Mr. Hainsworth.“
Der Notar stand auf und n
ahm seinen Hut. „Schon gut, das bin ich unserem verstorbenen
Major schuldig. Sorgen Sie inzwischen für seine Lieblinge und versuchen Sie, in den nächsten
zwei Wochen diesen Ring zu finden. Ich weiß nicht, welche Pläne dieser Cousin mit dem
Haus hat. Hoffen wir das Beste. Ich halte Sie auf dem Laufenden. Wenn Sie etwas brauchen,
rufen Sie mich bitte an. Und bitte – nennen Sie mich ruhig Henry. Schließlich bin ich ein alter
Freund des Hauses.“
Rosei begleitete den Besucher noch zur Haustür und sie verabschiedeten sich wie alte
Verbündete. Hainsworth versprach, so rasch wie möglich wiederzukommen. Wenigstens
haben wir einen Freund auf der Welt, dachte Rosie bei seinem
Abschied. In
ihre
dunkelblonden Haare hatten sich in den letzten Jahren zarte graue Fäden eingeschlichen. Es
waren arbeitsreiche und bewegende Jahre gewesen im Haus des Majors. Irgendwann hatte sie
vergessen, dass sie mal eine Familie gründen und ein eigenes Heim haben wollte. Immer war
irgendetwas dazwischen gekommen, wenn sich zwischen ihr und einem Verehrer zarte Bande
der Zuneigung entwickelten. So war Rosie allein geblieben. Das hier war alles, was sie hatte.
* * *
Noch am gleichen Nachmittag begannen sowohl Rosie als auch die beiden Katzen mit der
Durchsuchung des riesigen Hauses. Allerdings wusste die Haushälterin nichts davon, dass die
Tiere ihr helfen wollten. Sie würden mehrere Tage brauchen, soviel stand fest. Aber Mr.
Pattapu wäre
bereit
gewesen,
selbst
seinen Nachtschlaf teilweise aufzugeben, um ihr
gemeinsames Heim zu retten. Er war fest entschlossen. Als er sich der Kellertreppe zuwandte,
hielt die hinter ihm her trottende Melody inne. Ärgerlich drehte der rote Kater sich um. „Was
ist jetzt schon wieder?“
„Ich werde auf keinen Fall in diesen staubigen Keller hinuntergehen und mir mein Fell
schmutzig machen.“
Pattapu knurrte. „Du wirst deinen adligen Hintern dort hinunter schaffen, sonst helfe ich
nach!“, drohte er ganz offensichtlich.
Melody starrte ihn voller Entsetzen an. War das noch der alte Pattapu? Sie erkannte in seinen
weit aufgerissenen Augen den Ernst der Lage. Ein schlechtes Gewissen kroch in ihr hoch. Sie
gab nach.
„Aber ich werde nicht in diese schmutzigen Ritzen kriechen“, wollte sie unbedingt das letzte
Wort haben. Dem Kater kam bei diesem Satz eine Idee.
„Dazu sind wir zu groß. Aberich kenne jemanden, der genau das kann. Du wartest hier“,
befahl er wie ein General. Melody setzte sich gehorsam auf die Hinterbeine und begann mit
der Fellpflege. Pattapu stiefelte die gewundenen Treppen hinauf bis unter das Dach. Vor dem
unbenutzten Kinderzimmer blieb er sitzen. Die Tür war zu. Er nahm Anlauf und sprang auf
die Klinke. Die Tür öffnete sich mit einem leisen Knarren. Der Kater zwängte seinen
massigen Körper durch den Spalt.
„Hey, Lola, bist du da? Du musst uns unbedingt helfen!“, rief er in den Raum hinein.
Zunächst blieb es still. „Mach schon, Lola, ist schließlich auch dein Zuhause!“ Seine Stimme
klang ärgerlich, doch menschliche Ohren hätten nur ein empörtes Miauen vernommen.
Lolas vorwitzige rosa Nase erschien an einem der Fenster im obersten Stockwerk des
Puppenhauses. „Ach was, ist eine Ratte plötzlich gut genug, um zwei Edelkatzen zu helfen?“,
fragte sie beleidigt.„Dabei hast du dich noch nicht mal vorgestellt beim letzten Mal.“
Womit hatte Pattapu das verdient? Er verdrehte die Augen. Unten ein zickiges Weibchen,
oben eine rotzfreche Ratte! Wer brauchte so etwas? Gerade wandte er sich wieder zur Türe
um.
„Also schön“, kam Lolas Stimme etwas gequetscht aus der Ecke. Sie zwängte sich gerade
durch die Fensteröffnung und kam auf ihn zu.
„Meine Name ist Sir Parzival
ofPurrham“, holte er seine Vorstellungnach. „Meine engsten
Freunde nennen mich Mr. Pattapu.“ Er betonte absichtlich das Wort engsten. Doch Lola war
von seinem Adelstitel nicht im Geringsten beeindruckt.
„Freut mich! Dann mal los, Alter, lass uns die Welt retten!“, forderte sie ihn auf und flitzte an
ihm vorbei auf den Flur in Richtung Treppenhaus.
Ich halt es nicht aus! stöhnte der Kater innerlich und trabte hinter ihr her, bis sie auf gleicher
Höhe waren. Unterwegs erzählte er ihr in kurzen Stichworten von dem Besuch des Notars
heute Morgen.
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