Mr Pink Floyd
unterhalten, machte er den Anschein, nicht da zu sein, er war bei uns und dennoch abwesend, dermaßen abwesend, dass er auch sich selbst fehlte …
Wir wollten endlich erwachsen werden und dachten, seine Leidenschaft für Musik und Malerei würde diesem Bedürfnis ebenfalls folgen. Ich persönlich brauchte eine Weile, bis ich kapiert hatte, dass Rockstar zu werden, für Syd ein Weg war, um nicht groß zu werden, und bereits hier lag das Missverständnis zwischen ihm und den drei anderen … Ich weiß noch haargenau, dass sich niemand, als Syd THE PIPER AT THE GATES OF DAWN zum Titel ihres ersten Albums machte, daran erinnerte, dass es die Kapitelüberschrift eines Kinderbuchs war, seines Lieblingsbuchs: The wind in the willows von Kenneth Grahame, voll mit diesen fantastischen Wesen, die sich auch auf der LP tummeln. Übrigens sind dieselben Weiden am Cam gemeint, die auch der überernste Roger in seinem Grantchester Meadows heraufbeschwört… Es wurde viel über Syds Psychedelie gesprochen, aber tatsächlich psychedelisch war Roger: Syd war ein Bänkelsänger mit einem Hang zum Absurden, seine Psychedelie entsprach der von Lewis Carroll … Die ersten Songs von Pink Floyd sind folgendermaßen entstanden: Syd trällerte wie im Wahn unentwegt sinnlose Satzfragmente vor sich hin, manchmal tagelang immer dieselben, bis Roger oder Nick von dieser wahnsinnigen Echolalie wie betäubt waren und einfach einen Song daraus machen mussten … Solche verbalen Delirien habe ich bereits zehn Jahre bevor er Pink Floyd erfand tausendfach aus seinem Mund gehört, und wenn ich seiner Schwester Glauben schenken kann, dann produziert er sie noch heute … die Welt entsemantisieren, um der Welt einen Sinn zu geben, so verstehe ich das im Übrigen … aber was! Wer bin ich, hier Urteile zu fällen? Bloß ein Freund.
Auch das Buch I Ging mochte er sehr: Im Song Chapter 24 geht es eigens um dieses I Ging, um die Sechs als Zahl der Finsternis, diese verfluchte Sechs… Ihr wisst bereits, dass außer Rick alle am Sechsten geboren sind, oder? Aber ich schweife ab … Ein anderes Lieblingsbuch von Syd war The little grey men von Denys Watkins-Pitchford, eine Geschichte über die letzten
vier Zwerge von England: Jemand aus der Familie muss sich daran erinnert haben, denn im Textbuch für Syds Trauerfeier war ein Ausschnitt daraus enthalten, genauer gesagt die Stelle, in der einer der Zwerge zu einer Erkundungsreise in die weite Welt aufbricht und sich die drei anderen, da er nicht zurückzukehren scheint, ein Bötchen bauen, um ihn entlang des Flusses suchen zu gehen: Als sie ihn wiederfinden, erzählt ihr Freund von all den Wundern der Natur, die er auf seiner Reise gesehen hat… Vier, eins plus drei, man braucht nicht viel Fantasie, um… Nun aber Schluss, sonst kommen mir noch die Tränen, na, schon passiert, zufrieden? Die da haben nämlich kein Boot gebaut, nein, sie haben einfach nach einem anderen Zwerg gerufen, um wieder zu viert zu sein, das ist die Wahrheit!
SECHZEHNTE ZEUGENAUSSAGE
Ann Murray
Da nach so vielen Männern nun auch noch ein Zwerg seinen Beitrag abgibt, bin ich der Meinung: Jetzt ist Schluss. Ist schon richtig, dass die zwei wichtigsten Frauen in Syds Leben seine Mutter und seine Schwester waren und dass er seit seinem dreiundzwanzigsten Lebensjahr kein normales Verhältnis mehr zu unserem Geschlecht hatte, aber wahr ist auch, dass ich noch niemanden zuvor gesehen habe, der Frauen so fasziniert hat wie er. Er war schön, er war sanft, er war hervorragend, zum Dahinschmachten, er war dünn, hatte schwarze Locken, die ihm ins Gesicht fielen, er war schüchtern, ließ jedoch in tiefste Abgründe und himmlische Höhen blicken, er war von solch natürlicher Anmut, dass er, egal, was er anhatte, immer äußerst elegant wirkte, strahlend wie ein Engel, aber von gespenstischer Blässe, stets heiter, aber immer auch schwermütig, ihn sehen und sich in ihn verlieben waren ein und dasselbe, mit Ruhm hatte das ganz und gar nichts zu tun, wirklich, für uns Mädels aus Cambridge war Syd Barrett bereits eine Legende, noch ehe er anfing, Musik zu machen, stellt euch vor, wie’s erst danach war, an seiner Haustür zog eine endlose Prozession junger verzauberter Mädchen vorbei, die sich ihm mit Leib und Seele versprochen hätten, aber nie, ich betone niemals, hat er das ausgenutzt, normalerweise ließ er sie höflich eintreten und bot ihnen einen Frappé an, einen Heidelbeerpfannkuchen, irgendetwas Entwaffnendes, die Sache war
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