Mr. Postman
nicht begriff, dass sich jemand in einer Garage vergnügte.
Er kam immer näher. Es wurde dunkler. Zudem hatte er noch das Glück, dass in der Nähe ein höherer Geländewagen stand, der sichtlich Mühe hatte, durch die schmale Gasse zu fahren. Nur war das nicht sein Problem. Er sah die Dinge anders.
Sie hatten die Fenster des Autos nach unten gekurbelt. Es sollte nicht zu warm werden, deshalb waren sie auch so gut zu hören gewesen.
Mr. Postman wurde zum Schatten. Er duckte sich. Er war ein lautloser Killer. Er kam noch näher, hütete sich allerdings davor, an einem Tor entlang zu streifen.
Er sah den Wagen. Zumindest das Heck. Ein amerikanisches Modell aus der Chrysler-Palette. Dunkel. Blau oder grün. Alles Dinge, die er nur am Rande wahrnahm.
Die Garage war breit genug, um auch ihm noch Platz zu lassen. So konnte er sich an der Seite des Fahrzeugs entlangschieben und einen Blick in das Innere erhaschen.
Er duckte sich noch tiefer. Mit seinen gelblich schimmernden Knochenfingern stützte er sich am Boden ab. Ein ziemlich rauher Garagenboden, auf dem sich dunkle Ölflecken abzeichneten, deren Geruch er wahrnahm.
Viel intensiver hörte er das Keuchen und die dazwischen aufklingenden geflüsterten Worte. Das Paar war voll und ganz mit sich beschäftigt, und es keuchte nicht nur die Frau, sondern auch der Mann.
Aber er sprach mehr dabei.
Mr. Postman war zufrieden. Jetzt kam es nur noch darauf an, wer sich in diesem Auto vergnügte. Um das genau erkennen zu können, musste er noch weiter vor und erreichte die linke der beiden Hecktüren.
Geduckt blieb er hocken, wie jemand, der sich erst sammeln muss. Dann schob er sich hoch. Dabei drehte er seine Mütze. Der Schirm wies jetzt nach hinten. Er störte ihn nicht mehr.
Mr. Postman glitt noch weiter hoch. Er wollte durch die Scheibe schauen und einen ersten Eindruck gewinnen. Da sie zur Hälfte nach unten gedreht war, hatte sie auch nicht beschlagen können. Er starrte aus den leeren Augenhöhlen in das Innere.
Er sah die beiden. Sie hatten die beiden Vordersitze nach hinten gestellt, um den nötigen Platz zu haben. Dass sie so gut wie keine Kleidung mehr trugen, interessierte ihn nicht sonderlich. Mr. Postman wollte einen Blick in die Gesichter werfen, um zu erfahren, ob er mit seiner Vermutung richtig lag.
Er sah die Frau!
Als Mensch hätte er sein Gesicht wahrscheinlich verzogen, weil die Überraschung so groß war. Natürlich kannte er sie, hatte ihr oft genug die Post gebracht. Sie war ihm immer so unnahbar vorgekommen, spielte die Lady oder Grande Dame, die allem Menschlichen abhold zu sein schien. Hier nicht. Hier war sie wie ein Tier, denn sie hatte sich einen wesentlich jüngeren Liebhaber zugelegt. Einen dieser Kerle, wie man sie in den Fitnessstudios fand. Haare blondsilbrig gefärbt, schulterlang. Er trug so gut wie nichts mehr am Leib, und die Frau war dabei, ihm auch noch den sehr knapp sitzenden Slip abzustreifen.
Die Lady war verheiratet. Hatte sogar zwei Kinder. Und hier war sie wie eine Hure. Ihr brauchte er keine Nachricht zu schicken. Ihm reichte es, was er gesehen hatte.
Mr. Postman war eiskalt. Er würde noch warten. Genau dann, wenn es für sie am schönsten war, würde er die nicht verriegelte Tür aufreißen und als rächender Tod über sie kommen…
***
Ich hatte das Haus verlassen und war von Murphy gesehen worden, der auf mich zukam. »Nun, haben Sie was herausgefunden, Kollege?«
Ich gab ihm keine genaue Antwort, sondern fragte nach dem Arzt.
»Den finden Sie noch bei der Leiche.«
»Das ist gut.«
»He, was wollen Sie denn von ihm?«
»Nur ein paar Worte reden.«
»Und was hat Ihnen Ihre Sekretärin zu sagen gehabt?«
Ich drehte nur den Kopf, ging ansonsten weiter. »Leider viel zu wenig, Mr. Murphy.«
»Genau das habe ich mir gedacht.«
»Es läuft eben nicht immer.«
Der Arzt war ein noch junger Mann, der müde aussah und schon einen Großteil seiner Haare verloren hatte. Dass Gaffer auf der Straße und auf den Gehsteigen standen und über Dinge diskutierten, von denen sie nichts verstanden, regte mich nicht weiter auf. Neugierde gehört zum menschlichen Dasein dazu, es ist eben eine Eigenschaft, die sich nicht ausmerzen lässt.
»Sie sind John Sinclair, nicht?«
»Ja. Und Ihr Name ist…?«
»Dennis Oakland.«
»Gut, Mr. Oakland. Ich komme nicht zufällig zu Ihnen. Mich quält da ein Problem. Und zwar…«
Er ließ mich nicht ausreden. »Wenn Sie von mir wissen wollen, wie der Mann hier ums Leben kam, kann
Weitere Kostenlose Bücher