Mr. Postman
hielt er sich auf. Sie war sich sicher. Nach dem nächsten langen Schritt stand sie plötzlich am Rand des Vorgartens und schaute nach rechts. Die Dunkelheit schwamm über dem Gehsteig. Sie schien zu zittern. Das stimmte nicht. Es lag einzig und allein an Glendas Nervosität, die ihr Blickfeld einengte. Die Bewegung konnte sie nicht übersehen. Auch wenn sich Mr. Postman eine dunkle Stelle ausgesucht hatte. Der Raum zwischen zwei dicht belaubten Bäumen, wo keine Laterne ihren Schein abgab. Dort schützte die Finsternis, doch in ihr spielte sich die Szene ab, die Glenda noch nicht deuten konnte.
Ohne auf sich selbst Rücksicht zu nehmen, lief sie los. Es waren vielleicht zwanzig Meter und damit eine Entfernung, die jemand schnell zurücklegen konnte. Nach jedem Schritt trat deutlicher zum Vorschein, was sie schon befürchtet hatte. Celine di Cappo war nicht mehr allein.
Der Killer hatte sie zu fassen bekommen. Er war über ihr, jedenfalls entnahm sie das den sich heftig bewegenden Umrissen. Wenn sie nicht alles täuschte, wehrte sich die Frau noch. Dann sackte sie zusammen.
Glenda hörte ihren leisen Schrei. Ein Wehlaut, der sie noch stärker anspornte. »Hör auf!« brüllte sie Mr. Postman zu. Mehr ein Verhalten aus Hilflosigkeit.
Direkt neben dem Baumstamm hatte der Skelettkiller sein Opfer zu Boden gedrückt. Da Celine helle Kleidung trug, war sie gut zu sehen.
Sie bewegte sich nicht mehr, und das lebende Skelett hockte noch immer über ihr. Seine Knochenarme waren nach unten gerichtet. So wie er wirkte, musste er die hautlosen Finger um den Hals der Frau gepresst haben.
Glenda stoppte nicht. Sie überlegte auch nicht. Sie stoppte ihren Lauf nicht ab und trat aus der Bewegung heraus zu. Glenda hatte auf den Knochenkopf der Gestalt gezielt und sich vorgestellt, dass der Schädel durch die Wucht des Aufpralls in zahlreiche Teile zersplitterte.
Ein Irrtum, denn er blieb ganz. Zwar bewegte er sich hin und her, aber er fiel auch nicht ab und schien mit dem Knochenrumpf verwachsen zu sein.
Glenda hatte ihren Lauf nur unwesentlich abbremsen können. Deshalb prallte sie auch gegen den rissigen Stamm, doch sie hatte sich zur Seite gedreht. So wurde sie nur an der Schulter erwischt und nicht im Gesicht.
Der Schmerz war trotzdem so stark, dass sie sich zunächst nicht auf Mr. Postman konzentrieren konnte.
Auch um Celine konnte sie sich nicht kümmern. Selbst ein Blick auf ihr Gesicht ließ der Knöcherne nicht zu. Der Stoß hatte ihn zwar auf den Rücken geschleudert, aber wie ein Mensch rollte er sich herum und brachte sich in die richtige Position. Dann kam er hoch.
Schnell, gleitend, überhaupt nicht abgehackt, wie man es eigentlich bei seiner Gestalt hätte erwarten können.
Glenda starrte ihn an. Er starrte zurück, obwohl in seinen Augenhöhlen nur tiefe Finsternis lag. Noch immer trug er seine Mütze, auch wenn diese jetzt verrutscht war und der Schirm zur Seite zeigte.
Für andere mochte er lächerlich aussehen, für Glenda Perkins nicht. Da war er ebenso makaber und gefährlich wie bei der ersten Begegnung.
Ein Wahnsinniger, ein Unhold, über dessen Gebein im Gesicht das Blut rann. Und Blut tropfte auch von seinen verdammten Klauen zu Boden. Frisches Blut…
Glenda stand unter dem Baum wie jemand, der eine andere Welt betreten hatte. Diese gesamte Szene war so schrecklich irreal. Sie wollte daran nicht glauben, und doch war es eine Tatsache. Vor ihr stand dieser schreckliche Mörder, und sie wusste nicht, ob Celine di Cappo bereits tot war.
Mr. Postman bewegte seinen Knochenkopf. Die Uniform schlotterte um einen Körper. Sie war schmutzig, verklebt. Sie stank. Im Gesicht bewegte sich das Maul noch mehr in die Breite. In der Stille hörte Glenda das leise Knacken des Gebeins. Ihr kam es vor, als würde sie von der Gestalt angegrinst, die genau wusste, was sie zu tun hatte.
Blitzschnell kam sie vor. Einen Schritt nur, aber sie wuchs vor Glenda in die Höhe, die in ihrer Verzweiflung die Hände hochriss, denn der andere wollte sie packen. Sie sah diese verdammten Klauen auf sich zukommen. Gekrümmt, gelblich schimmernd, vorn leicht spitz, auch schmutzig und blutverklebt. Glenda hatte ihm nichts getan. Sie hätte nicht auf seiner Liste stehen dürfen, trotzdem wollte er sie aus dem Weg schaffen.
Die Knochenhände griffen nach ihr. Sie spürte die Finger wie harte Stöcke, und sie schaffte es, zurückzuspringen, bevor die Klauen richtig zupacken konnten. So rutschten sie an ihren halb erhobenen Armen
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