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Mr. Vertigo

Titel: Mr. Vertigo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Auster
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Füßen.
    «Was geht hier vor!», sagte der Meister, der die Situation mit einem Blick erfasst hatte. Er stieß mich zur Seite und beugte sich über die bewusstlose Mrs. Hawthorne. «Was zum Teufel geht hier vor!»
    «Nur ein kleiner Unfall», sagte ich.
    «Von wegen Unfall!», sagte er wütender, als ich ihn seit Monaten, vielleicht Jahren gehört hatte. Plötzlich bereute ich meinen dummen Streich. «Geh auf dein Zimmer, Idiot, und komm erst wieder raus, wenn ich es dir sage. Jetzt haben wir Besuch, wir beide rechnen später ab.»
    Die rote Bete war für mich gestorben, und auch sonst habe ich nie mehr eine von Mrs. Hawthorne zubereitete Mahlzeit gegessen. Sobald sie aus ihrer Ohnmacht erwacht war, rappelte sie sich auf, erklärte feierlich, sie werde nie mehr einen Fuß in unser Haus setzen, und marschierte zur Tür hinaus. Ich war bei ihrem Abgang nicht dabei, aber so hat es mir der Meister am nächsten Morgen erzählt. Erst dachte ich, er nähme mich auf den Arm, aber als sie bis Mittag noch nicht aufgetaucht war, wurde mir klar, dass ich die Ärmste halb zu Tode erschreckt hatte. Genau das war meine Absicht gewesen, aber nun kam es mir gar nicht mehr so komisch vor. Sie ist nicht mal zurückgekommen, um sich ihren Lohn abzuholen, und obwohl wir selbst noch zweiundsiebzig Stunden blieben, haben wir nichts mehr von ihr gehört.
    Danach wurde nicht nur das Essen schlechter, sondern ich musste auch noch eine letzte Demütigung schlucken, als mir Meister Yehudi am Morgen unserer Abreise befahl, das Haus sauberzumachen. Ich hasste solche Strafen – ohne Abendessen ins Bett geschickt, zu Küchendienst und Hausarbeiten abkommandiert zu werden –, aber ich konnte schimpfen und meckern, wie ich wollte, er war ja im Recht. Und wenn ich dreimal der größte Kinderstar war, seit David seine Schleuder geladen und abgezogen hatte, das spielte keine Rolle. Ich war aus der Reihe getanzt, und damit mein Kopf nicht auf Medizinballgröße anschwoll, blieb dem Meister nichts anderes übrig, als mir ein bisschen die Luft abzulassen.
    Zu Bigelow, dem Anlass für meinen Temperamentsausbruch, ist nicht viel zu sagen. Er blieb nur ein paar Stunden und wurde am späten Nachmittag von einem Taxi abgeholt – das ihn wohl zum nächsten Bahnhof brachte, von wo er die lange Rückfahrt nach Kansas antreten würde. Ich beobachtete seine Abreise von meinem Fenster im ersten Stock aus und empfand bloß Verachtung für seine schwachsinnige Fröhlichkeit und dafür, dass er mit Orville Cox befreundet war, den Mrs. Witherspoon mir und dem Meister vorgezogen hatte. Zu allem Überfluss gab sich der Meister betont freundlich, und mir lief fast die Galle über, als ich sah, mit welcher Höflichkeit er diesen Trottel von einem Bankangestellten behandelte. Er schüttelte ihm nicht bloß die Hand, sondern gab ihm auch noch sein Hochzeitsgeschenk für die zukünftige Braut mit. Die Taxitür war schon halb zu, als er dem Schurken ein großes, schön eingepacktes Paket in die Hände legte. Ich hatte keine Ahnung, was in der Schachtel steckte. Der Meister hatte es mir nicht gesagt, und ich nahm mir fest vor, ihn bei nächster Gelegenheit danach zu fragen, aber bis er mich aus dem Arrest entließ, vergingen noch so viele Stunden, dass ich es glatt vergaß, als der Augenblick gekommen war. Erst sieben Jahre später erfuhr ich, was er ihr geschenkt hatte.
    Von Cape Cod fuhren wir nach Worcester, eine halbe Tagesreise Richtung Westen. Es war ein gutes Gefühl, wieder wie früher in den bequemen Lederpolstern des Pierce Arrow zu sitzen, und als wir erst mal ins Landesinnere fuhren, ließen wir unsere Zwistigkeiten hinter uns wie weggeworfene Bonbonpapiere, die der Wind ins Dünengras und in die Brandung weht. Trotzdem hatte ich noch einige Zweifel, und um ganz sicherzugehen, dass wirklich kein böses Blut mehr zwischen uns war, bat ich den Meister noch mal um Entschuldigung. «Ich habe unrecht getan», sagte ich, «es tut mir leid», und damit war die Sache gegessen.
    Wir verkrochen uns im Cherry Valley Hotel, einem schmutzigen Stundenhotel zwei Häuser neben dem Luxor Theatre. In diesem Varieté sollte meine erste Vorstellung stattfinden, und die nächsten vier Tage probten wir dort jeden Vor- und Nachmittag. Das Luxor war längst nicht der vornehme Unterhaltungspalast, den ich mir erhofft hatte, aber es hatte eine Bühne, Vorhänge und Scheinwerfer, und der Meister versicherte mir, die Säle in den größeren Städten unserer Tournee würden schon noch

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