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Mrs. Alis unpassende Leidenschaft

Mrs. Alis unpassende Leidenschaft

Titel: Mrs. Alis unpassende Leidenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Simonson
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bemühte sich, ruhig und zackig wie ein Brigadegeneral zu sprechen. »Ich hätte das Thema in diesen schwierigen Tagen selbstverständlich nicht aufs Tapet gebracht …«
    »Genau, sondern erst viel später«, warf Marjorie ein.
    »Aber da du es ansprichst, sollten wir vielleicht offen darüber reden – schließlich gehören wir alle zur Familie.« Jemima sah ihn böse an. Marjories Blick wechselte zwischen den beiden hin und her. Sie presste mehrmals die Lippen aufeinander, bevor sie zu sprechen begann.
    »Also, Ernest, Jemima hat vorgeschlagen, dass es jetzt vielleicht das Beste wäre, die beiden Gewehre eures Vaters zusammen zu verkaufen.« Der Major schwieg. Hastig setzte sie von neuem an. »Ich meine, wenn wir deines und unseres zusammen verkaufen, dann würde dabei womöglich ein hübsches Sümmchen herausspringen, und ich würde Jemima gern bei der Ausbildung des kleinen Gregory unter die Arme greifen.«
    »Deines und unseres?«, wiederholte der Major.
    »Na ja, du hast eins, und wir haben eins«, fuhr Marjorie fort. »Aber einzeln sind sie offenbar nicht annähernd so viel wert.« Sie sah ihn mit großen Augen an, als würde sie mit dem Blick seine Zustimmung erzwingen wollen. Sekundenlang verschwamm dem Major alles vor Augen; dann sah er wieder klar. Hektisch suchte er nach einer Möglichkeit, das Gespräch zu beenden, aber nun war er am Zug, und ihm fiel nichts anderes ein, als offen seine Meinung zu äußern.
    »Da ihr nun einmal davon angefangen habt … Ich war davon ausgegangen, dass … dass Bertie und ich eine Vereinbarung hatten, was sozusagen die … die Verfügung über die Gewehre betrifft.« Er holte Luft und wappnete sich innerlich, als würden ihn die beiden finster dreinblickenden Frauen gleich mit den Zähnen zerreißen. »Meiner Auffassung nach war es der Wille unseres Vaters, dass Berties Gewehr in meine Obhut übergeht … und vice versa … je nachdem, wie es die Umstände erforderlich machen würden.« Da! Die Wörter waren ihnen entgegengeschleudert worden wie Felsbrocken aus einem Katapult; jetzt konnte er nichts mehr tun, als sich für den Gegenschlag zu rüsten.
    »Ich weiß ja, wie sehr dich die alte Flinte schon immer interessiert hat«, sagte Marjorie. Die verlegene Röte, die ihr Gesicht überzog, ließ das Herz des Majors einen Moment lang vor Freude springen. Würde er vielleicht doch den Sieg davontragen?
    »Genau deshalb will ich nicht, dass du ohne mich mit irgendwem redest, Mutter«, sagte Jemima. »Du würdest wahrscheinlich jedem, der darum bittet, unser halbes Eigentum schenken.«
    »Jetzt übertreibst du, Jemima«, entgegnete Marjorie. »Ernest will uns doch nichts wegnehmen.«
    »Gestern hast du dich von dieser Heilsarmee-Frau fast überreden lassen, ihr die Wohnzimmermöbel und die Säcke mit den Klamotten zu geben.« Sie wandte sich an den Major und fauchte ihn an: »Sie ist im Moment, wie du siehst, ziemlich neben der Spur, und ich lasse nicht zu, dass jemand das ausnutzt, egal ob es sich dabei um Verwandte handelt oder nicht!« Der Major spürte, dass sein Hals vor Zorn anschwoll. Es geschähe Jemima nur recht, wenn jetzt ein Blutgefäß in ihm platzen und er hier auf dem Küchenboden zusammenbrechen würde.
    »Diese Unterstellung nehme ich dir übel«, sagte er stammelnd.
    »Wir wussten doch schon immer, dass du hinter dem Gewehr meines Vaters her bist«, entgegnete Jemima. »Es hat dir ja nicht gereicht, dass du das Haus bekommen hast, das Porzellan und das ganze Geld …«
    »Ich weiß zwar nicht, von welchem Geld du sprichst, aber …«
    »Und dann diese ständigen Versuche, meinem Vater das Einzige abzugaunern, was sein Vater ihm geschenkt hat.«
    »Das reicht jetzt, Jemima«, sagte Marjorie. Sie hatte den Anstand zu erröten, sah den Major aber nicht an. Er hätte sie gern – ganz ruhig – gefragt, ob über dieses Thema, das sie offenbar schon viele Male mit Jemima durchgekaut hatte, auch mit Bertie gesprochen worden war. Konnte es sein, dass Bertie all die Jahre solchen Groll gegen ihn gehegt und es nie gezeigt hatte?
    »Es stimmt, ich habe Bertie im Lauf der Jahre einige Male finanzielle Angebote gemacht«, gab er zu. Sein Mund fühlte sich trocken an. »Aber es war meiner Meinung nach stets ein angemessener Marktpreis.« Jemima stieß ein gehässiges, grunzendes Schnauben aus.
    »Davon bin ich überzeugt«, versicherte ihm Marjorie. »Wir sollten jetzt vernünftig sein und die Sache gemeinsam klären. Jemima sagt, wenn wir beide zusammen

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