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Mrs. Alis unpassende Leidenschaft

Mrs. Alis unpassende Leidenschaft

Titel: Mrs. Alis unpassende Leidenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Simonson
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schnell ein Schinkensandwich zu essen, als andere Damen zu bewirten. Das mit dem Räucherhering tut mir sehr leid.«
    »Unsinn«, sagte Alma. »War meine eigene Schuld, dass ich ihn so hineingeschlungen habe.«
    »Ich war kurz davor, den Heimlich-Handgriff zu versuchen, aber mit der Schlundverstopfung bei Pferden habe ich mehr Erfahrung.«
    »Meine Damen!«, rief Daisy. »Könnten wir bitte beim Thema bleiben?« Sie legte eine Kunstpause ein. »Wir haben uns darauf geeinigt, dass mehrere kurze Szenen vorgeführt werden sollen – alle sehr geschmackvoll –, und uns darüber unterhalten, wie wir ihnen eine gewisse Tiefe verleihen könnten.«
    »Erzähl du es ihm, Grace – es war ja zum Teil deine Idee«, sagte Alma.
    »Nein, nein, nein«, entgegnete diese. Sie stand ein bisschen abseits und trat kaum merklich von einem Fuß auf den anderen. Den Major ärgerte das nervöse Gehabe dieser sonst stets so vernünftigen Frau. »Wir unterhielten uns gerade darüber, welche Verbindungen zu Indien es hier in der Gegend gibt, und da erwähnte ich zufällig Ihren Vater. Es war eigentlich gar nicht als Vorschlag gedacht.«
    »Meinen Vater?«, fragte der Major.
    »Wenn ich das mal erklären darf«, sagte Daisy und wies Grace mit einer hochgezogenen Braue in ihre Schranken. »Wir erinnerten uns an die Geschichte von Ihrem Vater und dem großen Dienst, den er dem Maharadscha erwies, und beschlossen, ihr drei bis vier Szenen zu widmen. Das wird das Herzstück unseres Unterhaltungsteils!«
    »Oh nein«, sagte der Major, dem bei der Idee ganz anders wurde. »Mein Vater hielt sich in den dreißiger Jahren und Anfang der vierziger in Indien auf.«
    »Na und?«, fragte Daisy.
    »Das Mogulreich bestand bis etwa 1750 «, erklärte der Major, dessen Verzweiflung allmählich über seine Höflichkeit siegte. »Das geht also überhaupt nicht.«
    »Aber es ist doch alles dasselbe«, wandte Daisy ein. »Alles Indien, oder etwa nicht?«
    »Es ist überhaupt nicht dasselbe. Die Moguln – das sind Shah Jahan und der Taj Mahal. Mein Vater dagegen diente im Vorfeld der Teilung. Das war das Ende der Engländer in Indien.«
    »Umso besser«, sagte Daisy. »Dann ändern wir ›Mogul‹ einfach in ›Maharadscha‹ ab und feiern die Unabhängigkeit, die wir Indien und Pakistan geschenkt haben. Anbruch einer neuen Ära und so weiter. Ich halte das für die einzig vernünftige Option.«
    »Damit wäre auch für viele das Kostümproblem gelöst«, warf Alma ein. »Ich habe Hugh Whetstone klarzumachen versucht, dass der Tropenhelm erst im neunzehnten Jahrhundert voll entwickelt war, aber er wollte nichts davon hören. Wenn wir so ein ›Die letzten Tage von …‹- Element einbauen, können sie meinetwegen auch ihre Charles-Dickens-Sommerkleider tragen.«
    »Allerdings hat uns gerade dieses ›Die letzten Tage von …‹ ziemlich in Schwierigkeiten gebracht im vergangenen Jahr«, gab Grace zu bedenken.
    »Wir müssen es ja nicht ganz genauso nennen«, blaffte Alma zurück.
    »Die Teilung erfolgte 1947 «, sagte der Major. »Da trugen die Leute Uniformen und kurze Kleider.«
    »Wir wollen es mit der Geschichte gar nicht so genau nehmen, Major«, sagte Daisy. »Soweit ich weiß, sind Sie im Besitz der Gewehre Ihres Vaters. Und wie sieht es mit irgendeiner Galauniform aus? Er war doch zumindest Colonel, nicht wahr?«
    »Es muss ihn natürlich ein Mann spielen, der jünger ist als Sie, Major«, warf Alma ein. »Und ein paar Burschen, die die blutrünstige Bande spielen, brauchen wir auch.«
    »Vielleicht würde Ihr Sohn Roger das übernehmen, Major«, schlug Gertrude vor. »Das würde doch hervorragend passen.«
    »Die blutrünstige Bande spielen?«, fragte der Major.
    »Nein, den Colonel natürlich«, antwortete Gertrude.
    »Die Bedienungen haben doch bestimmt ein paar barbarisch aussehende Freunde, die unsere Bande mimen können«, sagte Daisy.
    »Mein Vater war ein sehr zurückhaltender Mensch«, erklärte der Major. Er stotterte fast, so sehr stand er unter dem Eindruck, dass alle rings um ihn langsam den Verstand verloren. Dass die Damen allen Ernstes annahmen, Roger oder er würden sich bereit erklären, bei irgendeiner Art von Aufführung mitzuwirken, war völlig unbegreiflich.
    »Mein Onkel findet die Geschichte wunderbar«, fügte Gertrude hinzu. »Er möchte Ihnen dann, wenn alle Reden gehalten sind, einen Silberteller überreichen – als Anerkennung für die stolze Geschichte der Pettigrews und so weiter. Er wäre schrecklich enttäuscht,

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