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Mrs. Alis unpassende Leidenschaft

Mrs. Alis unpassende Leidenschaft

Titel: Mrs. Alis unpassende Leidenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Simonson
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meine Stangen rauszureißen!« Er neigte den Kopf und stieß den Daumen Richtung Himmel, wo sich brummend ein kleines Flugzeug näherte. »Luftaufnahmen von jedem ausgemessenen Bauplatz. Da können die Dorfrowdys einpacken.«
     
    Als er wieder in seinem Garten stand, erfasste den Major ein tiefer Kummer. In den Tagen zuvor war es ihm bessergegangen, und es erstaunte ihn, dass die Trauer um seinen Bruder nicht verschwunden war, sondern sich irgendwo versteckt und nur darauf gewartet hatte, ihn bei einer solchen Gelegenheit zu überfallen. Tränen traten in seine Augen, und er presste die Fingernägel der freien Hand in die Handfläche, um nicht zu weinen. Der Anwesenheit von Alice, die hinter der Hecke hockte, war er sich deutlich bewusst.
    »Mein Informant ist gerade zurückgekommen«, sprach Alice in ein Handy hinein. Der Major wusste genau, dass ihr ein Funkgerät lieber gewesen wäre. »Ich lasse mir gleich Bericht erstatten.«
    »Ich fürchte, Sie haben recht«, sagte der Major, ohne zu ihr hinunterzublicken. Stattdessen betrachtete er die sonnenbeschienenen Rückseiten der Häuser, die sich wie schlafende Kühe entlang der Weide duckten. »Auf jeden Fall Häuser, und obendrein irgendeine Gewerbesache.«
    »O Gott, eine ganz neue Stadt!«, rief Alice in ihr Handy. »Wir dürfen keine Sekunde warten, wir müssen sofort aktiv werden!«
    »Falls irgendwer fragt, sagen Sie bitte, ich hätte von Abflussrohren gesprochen«, fügte der Major noch hinzu. Dann richtete er seine Schritte zum Haus, um sich eine zweite Tasse Tee einzuschenken. Ihm war schlecht.
    »Sie können doch jetzt nicht einfach gehen!«, sagte Alice. Sie stand auf, das Handy immer noch ans Ohr gepresst. Er fragte sich, wer wohl am anderen Ende der Leitung war, und stellte sich eine Gruppe Althippies mit zerrissenen Jeans und schütterem Haar vor. »Sie müssen bei uns mitmachen, Major.«
    »Ich bin genauso aufgebracht wie Sie«, erwiderte der Major. »Aber wir wissen noch zu wenig. Wir sollten den Gemeinderat kontaktieren und herausfinden, wo wir hinsichtlich der Baugenehmigungen und so weiter stehen.«
    »Okay, der Major übernimmt die Leitung des Bereichs Kommunikation«, teilte Alice ihrem Gesprächspartner mit.
    »Nein, also …«, sagte der Major.
    »Jim will wissen, ob Sie auf die Schnelle ein paar Plakate malen könnten.«
    »Das ist künstlerisch zu anspruchsvoll für mich«, sagte der Major und fragte sich, wer dieser Jim war. »Ich habe es nicht so mit den Leuchtmarkern.«
    »Der Major sträubt sich gegen eine Mitarbeit, zumindest offiziell«, sagte Alice in ihr Handy hinein. »Aber mit seinen Beziehungen könnte er vielleicht unser inoffizieller Informant sein.« Vom anderen Ende der Leitung her kam aufgeregtes Geplapper. Alice musterte den Major von Kopf bis Fuß und sagte dann: »Nein, nein, er ist absolut vertrauenswürdig.«
    Sie wandte sich ab. Der Major konnte kaum mehr verstehen, was sie hinter dem breiten Lockenvorhang sprach. Er beugte sich ein wenig vor und hörte sie sagen: »Ich verbürge mich für ihn.«
    Er fand es leicht grotesk, aber auch rührend, dass Alice Pierce sich für ihn verbürgen wollte. Er war sich nicht sicher, ob er dasselbe für sie tun könnte, wenn man ihn dazu aufforderte. Er setzte sich auf die Armlehne der Bank, die unter der Trennhecke stand, und ließ seufzend den Kopf auf die Brust sinken. Alice klappte ihr Handy zusammen. Er spürte, dass sie ihn ansah.
    »Ich weiß, dass Sie dieses Dorf mehr lieben als jeder andere«, sagte sie. »Und ich weiß, wie viel Rose Lodge Ihnen und Ihrer Familie bedeutet.« Sie sprach mit einer für sie ganz untypischen Sanftheit. Er drehte sich um und stellte gerührt fest, dass diese Milde echt war.
    »Danke«, sagte er. »Sie wohnen jetzt auch schon eine ganze Weile in Ihrem Haus.«
    »Ich bin sehr glücklich hier. Aber ich lebe erst seit zwanzig Jahren hier, was in diesem Dorf praktisch nichts ist.«
    »Ich komme mir so alt und närrisch vor – ich dachte, der Fortschritt würde unseren kleinen Erdenwinkel unberührt lassen.«
    »Hier geht es nicht um Fortschritt. Hier geht es um Gier«, erwiderte Alice.
    »Ich weigere mich zu glauben, dass Lord Dagenham sein Land einfach so aufgibt«, sagte der Major. »Er hat sich immer für die ländliche Gegend eingesetzt. Himmel noch mal – er ist Jäger!«
    Alice schüttelte den Kopf, als wunderte sie sich über seine Naivität. »Wir sind alle dafür, die ländliche Gegend zu erhalten, bis wir erkennen, wie viel Geld sich

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