Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mrs. Alis unpassende Leidenschaft

Mrs. Alis unpassende Leidenschaft

Titel: Mrs. Alis unpassende Leidenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Simonson
Vom Netzwerk:
Neffe behauptet, er könne nicht mit einer unverheirateten Frau unter einem Dach schlafen, und hat im Auto übernachtet«, sagte Mrs. Ali. »Ich habe ihn auf den offensichtlichen Widerspruch in seinem Denken hingewiesen, aber seine neue Religiosität erlaubt es ihm, stur zu bleiben.«
    »Warum müssen sie denn hier übernachten?«, fragte der Major. »Sie könnten doch auch nur zu Besuch kommen.«
    »Ich habe Angst, dass sie wieder verschwinden könnten, wenn sie in die Stadt zurückgehen. Amina wirkt sehr nervös, und ihre Tante, sagt sie, ist fast hysterisch, weil die Leute sie ständig nach ihr fragen.«
    »Ein Zimmer im Pub zu mieten ist wahrscheinlich nicht erlaubt«, sagte der Major. Der Wirt des Royal Oak vermietete zwei romantisch eingerichtete Zimmer unter dem Dach und servierte das herzhafte englische Frühstück am etwas klebrigen Tresen.
    »Abdul Wahid hat damit gedroht, in die Stadt zu fahren und den Imam um ein Bett zu bitten. Dann wäre unsere Geschichte Gesprächsthema in der ganzen Gemeinde.« Sie bedeckte das Gesicht mit den Händen und fragte leise: »Warum ist er nur so stur?«
    »Hören Sie – wenn es Ihnen wirklich so wichtig ist, die beiden hierzubehalten, dann könnte doch Ihr Neffe ein paar Tage lang bei mir wohnen.« Der Major überraschte sich selbst mit dem Angebot, das er ausgesprochen hatte, noch bevor es in sein Bewusstsein gedrungen war. »Ich habe ein Gästezimmer – er wäre mir nicht im Weg.«
    »Ach, Major, das ist wirklich zu viel verlangt«, sagte Mrs. Ali. »Ich kann Ihre Güte unmöglich so überbeanspruchen.« Doch ihre Miene hatte sich vor Freude erhellt.
    Der Major hatte bereits beschlossen, den jungen Mann in Rogers ehemaligem Zimmer unterzubringen. Im Gästezimmer, das nach Norden ging, war es ziemlich kalt, und in einem der Bettfüße hatte er mehrere verdächtige Löcher entdeckt, die er sich immer schon einmal genauer ansehen wollte. Es ging ja nicht an, dass ein Gast wegen Holzwürmern aus dem Bett fiel.
    »Es macht mir wirklich nichts aus«, sagte er. »Und wenn es Ihnen hilft, das Problem zu lösen, stehe ich gerne zu Diensten.«
    »Ich bin Ihnen sehr verbunden, Major.« Sie erhob sich von ihrem Hocker, trat zu ihm und legte eine Hand auf seinen Arm. »Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie dankbar ich bin.« Der Major fühlte eine Wärme, die sich den ganzen Arm hinaufzog. Er hielt so still, als hätte sich ein Schmetterling auf seinem Ellbogen niedergelassen. Einen Augenblick lang spürte er nichts als ihren Atem und sah nichts als sein eigenes Gesicht in ihren dunklen Augen.
    »Keine Ursache.« Er drückte kurz ihre Hand.
    »Sie sind ein wirklich erstaunlicher Mann«, sagte sie. Ihm wurde klar, dass er ein Vertrauen und eine Dankesschuld in ihr geweckt hatte, die es einem Mann von Ehre völlig unmöglich machten, sie in absehbarer Zeit zu küssen, und insgeheim schalt er sich einen Dummkopf.
     
    Als Abdul Wahid an die Tür von Rose Lodge klopfte, war es schon dunkel. Seine paar Habseligkeiten hatte er fest in einen kleinen Gebetsteppich gerollt und das Ganze mit einem Leinenriemen zusammengebunden. Gewissenhaft zog er seine abgenutzten braunen Slipper aus und stellte sie unter den Kleiderständer. Der Major wusste, dass dies ein Zeichen des Respekts für sein Haus war, doch die Vertrautheit, die die Füße eines Fremden in feuchten Socken ausstrahlten, war ihm peinlich. Plötzlich hatte er eine Vision und sah vor sich, wie die Damen des Dorfes mit ihren Strümpfen pentagrammförmige Abdrücke auf seinen gebohnerten Dielen hinterließen. Er war froh, dass seine eigenen Füße in robusten Filzpantoffeln steckten.
    Während er dem Neffen auf der Treppe voranging, beschloss er, ihm doch das nach Norden liegende Gästezimmer zu geben. Rogers Zimmer mit dem alten blauen Teppich und dem schönen Schreibtisch mit der Leselampe erschien ihm plötzlich zu luxuriös und behaglich für den hartgesichtigen jungen Mann.
    »Genügt Ihnen das?«, fragte er und trat verstohlen gegen den schwächelnden Bettfuß, um sicherzugehen, dass er stabil genug war und kein Holzstaub aus den Wurmlöchern fiel. Die dünne Matratze, die Fichtenholzkommode und der einsame Blumendruck an der Wand erschienen ihm angemessen klösterlich.
    »Sehr freundlich von Ihnen.« Abdul Wahid legte seine Siebensachen vorsichtig auf dem Bett ab.
    »Ich bringe noch ein Laken und Bezüge, und dann richten Sie sich hier erst mal ein.«
    »Danke«, sagte Abdul Wahid.
    Als der Major mit der Bettwäsche und einer

Weitere Kostenlose Bücher