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Mrs. Alis unpassende Leidenschaft

Mrs. Alis unpassende Leidenschaft

Titel: Mrs. Alis unpassende Leidenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Simonson
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verdienen lässt, wenn man hinten im Garten anbaut, aufstockt oder ein neues Haus errichtet. Jeder ist grün, es sei denn, es geht um das eigene kleine Projekt, das ja angeblich nicht ins Gewicht fällt – und plötzlich sieht man überall im Dorf Dachfenster und Doppelgaragen und Schwiegermutter-Anbauten.« Sie fuhr sich mit den Händen durchs Haar, schüttelte die Lockenpracht und strich sie sich aus dem Gesicht. »Wir sind genauso schuldig wie Dagenham – nur die Dimension ist kleiner.«
    »Er hat hier eine Vorbildfunktion«, wandte der Major ein. »Er wird es einsehen und seine Meinung ändern.«
    »Wenn nicht, dann kämpfen wir. Schluss ist immer erst dann, wenn man gegen die Bulldozer anstürmt und im Knast landet.«
    »Ich bewundere Ihren Elan.« Der Major stand auf und schüttete die letzten Tropfen Tee aus seiner Tasse auf eine abgestorbene Dahlie. »Aber ich kann Sie nicht guten Gewissens bei irgendwelchen Bürgerkrawallen unterstützen.«
    »Bürgerkrawallen? Jetzt herrscht Krieg, Major.« Alice kicherte. »Auf die Barrikaden und raus mit den Molotow-Cocktails!«
    »Sie tun, was Sie tun müssen«, sagte der Major. »Und ich werde dem Planungsbeamten einen unmissverständlichen Brief schreiben.«
     
    Am Nachmittag spazierte der Major mit seinem Brief zum Briefkasten und blieb, den Umschlag in der Hand, eine Zeitlang davor stehen. Vielleicht war sein Gesuch doch zu aggressiv formuliert. Er hatte zwar an mehreren Stellen »wir fordern« durch »wir bitten« ersetzt, wurde aber das Gefühl nicht los, den Planungsbeamten unter Druck zu setzen. Gleichzeitig hatte er aus Angst, Alice könnte seine übertriebene Höflichkeit nicht gutheißen, ein, zwei Sätze über dringend erforderliche Transparenz und die Verantwortung des Gemeinderats für den Schutz des Landes angefügt. Er hatte mit »heiliger Boden« experimentiert, in letzter Minute aber »altehrwürdiger Boden« daraus gemacht, um eine Verwechslung mit Grundstücken in Kirchenbesitz zu vermeiden. Er hatte sogar in Betracht gezogen, eine Kopie des Briefs direkt an Lord Dagenham zu schicken, fand dann jedoch, dass er das vielleicht besser auf einen Zeitpunkt nach der Entenjagd verschob, ohne dadurch einen schwerwiegenden moralischen Kompromiss einzugehen. Es machte ihm stets Freude, einen frisch gefalteten Briefbogen in einen noch unbenutzten Umschlag zu stecken, und als er das Kuvert nun betrachtete, sagte er sich, dass sein Brief angemessen prägnant und mit dem nötigen Ernst formuliert war. Zufrieden und in Zuversicht darauf, dass sich die Sache zwischen vernünftigen Männern gütlich regeln lassen würde, warf er ihn ein. Nachdem das erledigt war, hatte er Muße, einen Blick auf den Dorfladen zu werfen, und beschloss, als wäre ihm die Idee aus heiterem Himmel gekommen, hineinzuschauen und sich nach Mrs. Ali und ihrem Neffen zu erkundigen.
    Mrs. Ali saß hinter der Ladentheke und schichtete kleine Seidentücher in die Bastkörbchen, in denen normalerweise Sandelholzkerzen und Schachteln mit Rosen- und Eukalyptus-Badesalz lagen. Diese Tücher waren, in Zellophan verpackt und mit einer Seidenschleife verziert, beliebte Geschenke. Im Jahr zuvor hatte der Major zwei davon gekauft und sie Marjorie und Jemima zu Weihnachten geschenkt.
    »Die gehen wohl ziemlich gut«, sagte er zur Begrüßung. Mrs. Ali reagierte so überrascht, als hätte sie das Türglöckchen nicht gehört. Vielleicht, dachte er, hatte sie gar nicht erwartet, ihn zu sehen.
    »Ja, das sind die beliebtesten Geschenke bei Leuten, die denjenigen, für den sie es kaufen, bis in letzter Minute völlig vergessen hatten.« Mrs. Ali wirkte aufgewühlt, sie schaukelte ein fertig bestücktes Körbchen auf den Spitzen ihrer langen, schlanken Finger hin und her. »Offenbar lässt sich aus Panik ganz gut Profit schlagen.«
    »Sie machten gestern einen etwas bekümmerten Eindruck auf mich«, sagte der Major. »Ich wollte fragen, ob alles in Ordnung ist.«
    »Es ist alles sehr … schwierig«, sagte sie nach einer kurzen Pause. »Schwierig, aber möglicherweise auch sehr gut.« Er wartete auf eine nähere Erklärung und empfand dabei eine für ihn ganz untypische Neugier. Er wechselte nicht das Thema, wie er es getan hätte, wenn Alec oder ein anderer Freund es sich erlaubt hätten, ein privates Problem anzudeuten. Er wartete einfach und hoffte, dass sie weiterreden würde.
    Plötzlich ertönte ein feines Stimmchen. »Ich habe jetzt alle Äpfel poliert.« George kam aus dem hinteren Teil des

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