Mrs Murphy 02: Ruhe in Fetzen
verkörperte Boom Boom den Siegeszug der amerikanischen Kosmetik, Mode und Schönheitschirurgie. Ihre Ichbezogenheit, durch diese Kultur genährt, wuchs sich zu hochgradiger Egozentrik aus. Boom Boom vermarktete sich als Schmuckstück. Mit der Zeit wurde sie eins. Viele Männer machten Jagd auf dieses Schmuckstück.
Als Harry die neue Harry betrachtete, die sie Mirandas und Susans Unerbittlichkeit zu verdanken hatte, entdeckte sie erleichtert eine Menge von der alten Harry. Okay, ein bisschen Rouge betonte die Wangen, Lippenstift verlieh ihrem Mund Wärme, aber nichts war übertrieben. Kein widerwärtiger Lidschatten. Die Wimperntusche betonte lediglich ihre ohnehin langen schwarzen Wimpern. Sie sah aus wie sie selbst, vielleicht sogar mehr als sonst. Sie versuchte, sich damit anzufreunden, versuchte, sich in dem schlichten Wildlederrock und der Seidenbluse zu gefallen, die Susan sie unter Androhung der Todesstrafe zu kaufen gezwungen hatte. Geld ausgeben ist schmerzlicher als jede Strafe, dachte sie; man spürt es länger.
Zu spät. Der Scheck war ausgestellt, der Kauf nach Hause getragen. Es war ohnehin keine Zeit mehr, sich darüber zu grämen, denn Blair klopfte an die Haustür.
Harry ging öffnen.
Blair musterte sie. »Sie sind die einzige Frau, die ich kenne, die in Jeans genauso gut aussieht wie im Rock. Na los, gehen wir.«
Mrs Murphy und Tucker standen auf der Rückenlehne des Sofas und sahen den Menschen nach, wie sie die Zufahrt entlangfuhren.
»Na, was sagst du?«, fragte Tucker die Katze.
»Sie sieht scharf aus.« Mrs Murphy zwinkerte Tucker zu. »Bist du nicht froh, dass wir keine Kleider tragen müssen? Du würdest in einem Baumwollfähnchen vielleicht irre aussehen!«
»Und du müsstest vier BHs anziehen.« Tucker stupste Mrs Murphy in die Rippen, sodass sie fast vom Sofa kippte.
Das entsprach Mrs Murphys schrägem Sinn für Humor. Sie schoss von der Sofalehne und forderte Tucker auf, sie zu fangen. Mrs Murphy stürmte geradewegs zur Wand, damit Tucker dachte, sie könne nicht mehr zurück, dann stieß sie sich mit allen vieren an der Wand ab und flog im Absprung direkt über Tuckers Kopf, während der Hund zur Wand schlitterte und mit einem schweren Plumps dort landete. Mrs Murphy vollführte dieses Manöver in teuflischer Absicht. Wütend drehte Tucker sich so schnell auf ihren Beinen, dass sie wackelte wie im Zeitraffer. Sie wetzten im Kreis herum, bis am Ende, als Tucker unter einen Beistelltisch flitzte und Mrs Murphy darauf hin und her hüpfte, die Lampe auf dem Tisch schwankte und wackelte, umkippte und auf dem Boden zerschellte. Das Klirren erschreckte die zwei, und sie flohen in die Küche. Nachdem ein paar Minuten Stille war, wagten sie sich wieder hinaus.
»Ach du Scheiße«, sagte Tucker.
»Sie braucht sowieso eine neue Lampe. Die hier war so alt, dass sie schon graue Haare hatte.«
»Harry wird mir die Schuld geben.« Tucker fühlte sich bereits gescholten.
»Sobald wir den Wagen hören, verstecken wir uns unterm Bett. Dann kann sie wüten und toben, bis sie sich abgeregt hat. Bis morgen früh ist sie drüber weg.«
»Gute Idee.«
32
»Die Baisertörtchen.« Mit einem triumphierenden Nicken wies Little Marilyn Tiffany an, das Dessert aufzutragen.
Little Marilyn pflegte die Nouvelle Cuisine. Big Marilyn folgte ihrem Beispiel. Es war das erste Mal, dass die Mutter die Tochter nachahmte. Jim Sanburne klagte, Nouvelle Cuisine sei eine raffinierte Methode, den Menschen weniger zu essen zu geben. Vogelfutter war seine Bezeichnung dafür. Glücklicherweise waren Big Marilyn und Jim heute nicht zu dem kleinen Abendessen eingeladen. Wohl aber Cabell Hall. Fitz schmeichelte dem bedeutenden Banker unaufhörlich, was er damit rechtfertigte, dass Cabell ihn vor drei Jahren mit Marilyn zusammengebracht hatte. Little Marilyns unleidliche Natur wurde durch die Abwesenheit ihrer Mutter etwas gemildert, und so überschüttete auch sie Cabell und Taxi mit ihrer Aufmerksamkeit.
»Taxi, erzählen Sie Blair, wie Sie zu Ihrem Spitznamen gekommen sind.« Little Marilyn strahlte die ältere Frau an.
»Ach was. Das will er bestimmt nicht hören.« Taxi lächelte.
»Doch, ich würde es gerne hören«, ermunterte Blair sie, während Cabby seine Frau, mit der er seit fast drei Jahrzehnten verheiratet war, zärtlich ansah.
»Cabell wird Cabby genannt. Heißt ja auch Taxi. Schön und gut, aber als die Kinder klein waren, habe ich sie zur Schule kutschiert. Ich habe sie von der Schule
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