Mrs Murphy 06: Tödliches Beileid
jeder Tag eine Party«, sagte April Shively, den Stenogrammblock zum Diktat gezückt, voller Hingabe.
April, die dem Komitee nicht angehörte, nahm als Sekretärin des Direktors an allen Versammlungen teil, was dem Komitee die Einstellung einer eigenen Schreibkraft ersparte. Es bedeutete zudem, dass nur solche Informationen, die Roscoe für wichtig erachtete, Eingang in das getippte Protokoll fanden. Und schließlich verschaffte es den beiden eine Rechtfertigung zusammen zu sein.
»Wo waren Sie diesmal?«, fragte Irene Miller, Jodys Mutter, mit einem Anflug von Missbilligung in der Stimme, da Maury McKinchie ihrer Meinung nach zu viele Versammlungen versäumte.
»New York.« Er wartete, bis Roscoe Platz genommen hatte, dann fuhr er fort: »Ich habe gute Nachrichten.« Die Gruppe beugte sich zu ihm vor. »Ich habe mich mit Walter Harnett von Columbia getroffen. Unsere Idee von einem Filmkurs gefällt ihm. Er hat uns zwei Videokameras versprochen. Es sind alte Modelle, aber sie funktionieren gut. Neu kostet so eine professionelle Studiokamera vierundfünfzigtausend Dollar. Der erste Schritt ist getan.« Er strahlte.
Nach dem Beifall ergriff Little Mim, die Vorsitzende des Komitees, das Wort. »Das ist ja eine sehr aufregende Nachricht! Ich denke, mit den entsprechenden Vorbereitungen unsererseits können wir die Zustimmung der Schulbehörde erhalten, einen Lehrplan auszuarbeiten.«
»Nur, wenn wir den Kursus finanzieren können.« Roscoe verschränkte die Hände. »Sie wissen, wie konservativ die Behörde ist. Lesen, Schreiben und Rechnen. Das ist alles. Aber wenn wir ein Jahr finanzieren können – und ich habe die Ausgangsberechnungen hier –, dann hoffe und glaube ich, dass die positive Resonanz bei Schülern und Eltern uns durch das darauffolgende Jahr helfen wird. Die Behörde wird ins zwanzigste Jahrhundert katapultiert werden« – er machte eine Pause, um seine Worte wirken zu lassen –, »sowie wir ins einundzwanzigste übergehen.«
Sie lachten.
»Ist das Kollegium auf unserer Seite?«, fragte Irene Miller, die begierig auf jeder neuen Erfolgswelle mitschwamm, die ihr das so sehr begehrte gesellschaftliche Prestige verhieß.
»Mit einigen namhaften Ausnahmen, ja«, erwiderte Roscoe.
»Sandy Brashiers«, platzte April heraus, machte dann ganz schnell den Mund zu. Ihre Porzellanwangen wurden rot. »Sie wissen, was für ein Purist er ist.«
»Verpassen Sie ihm ein Klistier«, sagte Maury und gewahrte die schockierten Gesichter der Gruppe. »Verzeihung. Wir sagen das oft beim Drehen. Wenn einer eine echte Nervensäge ist, hat er den Namen Arschgeige weg.«
»Maury.« Irene schlug in gespielter Verlegenheit die Augen nieder.
»Verzeihung. Tatsache bleibt, er ist ein Hemmschuh.«
»Ich kümmere mich um Sandy«, erklärte Roscoe Fletcher ruhig.
»Höchste Zeit, dass ihn sich jemand vornimmt.« Doak Mincer, ein Bankdirektor, seufzte. »Sandy hat tatkräftig Stimmung gegen das Projekt gemacht. Auch als ihm gesagt wurde, der Filmkurs sei ein einjähriges Experiment, das sich allein trägt und unabhängig finanziert wird und so weiter und so fort, hat er opponiert – unerbittlich.«
»Es hat auf einer Lehranstalt nichts zu suchen, sagt er.« Auch gegen Irene war opponiert worden.
»Was ist mit der Kamerafrau, die Sie Mitte September hierhatten? Ich dachte, das hätte Begeisterung geweckt.« Marilyn deutete mit ihrem Bleistift auf Roscoe.
»Sie war ein Hit. Hat einige der beliebteren Schüler gefilmt; Jody war auch dabei, Irene.«
»Es hat ihr Spaß gemacht.« Irene lächelte. »Von den Eltern haben Sie keinen Widerstand zu erwarten. Welche Eltern hätten etwas dagegen, dass ihr Kind neue Fähigkeiten lernt? Oder mit einem Profi wie Maury arbeitet? Ist doch eine spannende Sache.«
»Danke.« Maury zeigte sein breites Lächeln, das gewöhnlich für bezahlte Fotografen reserviert war.
Er hatte sich in den Achtzigerjahren einer blühenden Regiekarriere erfreut, die in den Neunzigern verblasste, als die Schauspielkarriere seiner Frau die Stratosphäre stürmte. Sie war so oft am Drehort, dass Maury zuweilen vergaß, dass er eine Frau hatte. Aber das hätte er vielleicht auch ungeachtet der Umstände getan.
Er hatte auch zugesagt, dass Darla einmal im Jahr in St. Elizabeth eine Vorlesung halten würde. Er hatte allerdings bisher versäumt, Darla davon in Kenntnis zu setzen – Darla Keen mit Bühnennamen. Michelle Gumbacher mit richtigem Namen. Er wollte ihr die Vorlesung bei einem ihrer
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