Mrs Murphy 06: Tödliches Beileid
Zwischenaufenthalte zu Hause schmackhaft machen.
»Irene, hast du deine Liste mit den potenziellen Spendern dabei?«, fragte Little Mim. Irene nickte und ließ einen unendlich langweiligen Vortrag über jeden einzelnen potenziellen Kandidaten vom Stapel.
Nach der Versammlung gingen Irene und Maury zu seinem Geländewagen, einem Range Rover. Sein Porsche 911 war wärmeren Tagen vorbehalten.
»Was macht Kendrick?«, erkundigte er sich nach ihrem Mann.
»Nichts Neues.«
Was bedeutete, dass Kendrick rund um die Uhr in dem Gartenzentrum arbeitete, das er aus dem Nichts aufgebaut hatte und das endlich Gewinn abwarf.
Sie erspähte auf dem Beifahrersitz des Rover einen Karton voll winziger Fläschchen. »Was ist denn das?«
»Äh« – lange Pause –, »Essenzen.«
»Was?«
»Essenzen. Manche heilen Kopfschmerzen. Andere sind für Erfolg. Ich glaube zwar nicht daran, aber sie wirken beruhigend, nehme ich an.«
Irene hob eine Augenbraue. »Haben Sie das Zeug aus New York mitgebracht?«
»Äh – nein. Ich habe es Boom Boom Craycroft abgekauft.«
»Guter Gott.« Irene machte auf dem Absatz kehrt und ließ ihn neben seinem sündhaft teuren Gefährt stehen, das mit Vorliebe von den britischen Royals benutzt wurde.
Als Little Mim an diesem Abend ihre Mutter zögernd über die Versammlung ins Bild setzte – zögernd, weil ihre Mutter immer alles wissen musste –, sagte sie: »Ich glaube, ich kann die Filmabteilung auf die Beine stellen.«
»Das wäre ein Sieg, Liebes.«
»Nicht so überschwänglich, Mutter.«
»Ich bin aber überschwänglich. Bloß leise, das ist alles. Und ich bin der Meinung, dass Roscoe es entschieden zu sehr genießt, mit den sogenannten Stars dickezutun. Greta Garbo. Die war ein Star.«
»Ja, Mutter.«
»Und Maury – tja, Westküstenmanieren, meine Liebe. Nicht Virginia.«
»Nicht Virginia«, ein Urteil, gewöhnlich von Weißen und Schwarzen gleichermaßen geflüstert, das diejenigen ausgrenzte, die den Ansprüchen nicht genügten. Und das waren eine ganze Menge.
Little Mim wurde böse. »Die von der Westküste, die sind aufgeschlossener.«
»Aufgeschlossen? Sie sind porös.«
8
»Was hast du zu deiner Entschuldigung zu sagen?« Zornesrot funkelte Skip Hallahan seinen gut aussehenden Sohn an.
»Es tut mir leid, Dad«, murmelte Sean.
»Sag das nicht zu mir. Sag’s ihm!«
»Es tut mir leid, Mr Fletcher.«
Roscoe löste die vor der Brust gefalteten Hände. »Ich nehme deine Entschuldigung an, aber fandst du es wirklich komisch, meine Todesanzeige aufzugeben?«
»Ah – am Anfang. War wohl doch nicht so komisch«, antwortete er matt.
»Du hast fast dieselbe Stimme wie dein Vater.« Roscoe beugte sich vor. »Du bekommst keinen Arrest. Aber – ich finde, du könntest freiwillig vier Stunden pro Woche im Krankenhaus ableisten. Das würde mich zufriedenstellen.«
»Dad, ich trage schon Zeitungen aus. Wie kann ich da im Krankenhaus arbeiten?«
»Ich sorge dafür, dass er seine Arbeit macht«, fauchte Skip, immer noch aufgebracht.
»Wenn er sich weigert, ist es aus mit Football.«
»Was?« Entsetzt sprang Sean fast vom Stuhl.
»Du hast mich verstanden«, sagte Roscoe ruhig.
»Ohne mich hat St. Elizabeth keine Chance«, prophezeite Sean arrogant.
»Sean, die Footballsaison ist weniger wichtig, als dass du dir merkst: Taten haben Konsequenzen. Ich wäre ein schlechter Direktor, wenn ich dir den Streich durchgehen ließe, bloß weil du unser bester Läufer bist … denn eines Tages würdest du glatt ins offene Messer rennen. Taten haben Konsequenzen. Das wirst du dir jetzt auf der Stelle merken. Vier Stunden pro Woche bis Neujahr. Hast du mich verstanden?« Roscoe stand auf.
»Ja, Sir.«
»Ich habe dich schon einmal gefragt. Ich frage dich jetzt zum letzten Mal: War der Streich ganz allein dein Werk?«
»Ja, Sir«, log Sean.
9
Rot stieg die Sonne über den Horizont. Father Michael, ein Frühaufsteher, genoss die Sonnenaufgänge so, wie die meisten Menschen Sonnenuntergänge genießen. Bewaffnet mit jamaikanischem Kaffee, seiner kleinen Extravaganz, saß er Zeitung lesend an dem Frühstückstischchen aus Kiefernholz, von dem aus er auf den wunderschön gepflegten Friedhof hinaussehen konnte.
Die Kirche Zum Guten Hirten, die mit einer recht vermögenden Gemeinde gesegnet war, gewährte ihm ein hübsches, wenn auch kleines Heim auf kircheneigenem Gelände. Eine tüchtige Sekretärin, Lucinda Payne Coles, ging ihm von Montag bis Freitag zur Hand. Er konnte Lucinda
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