Mrs Murphy 06: Tödliches Beileid
Tuten einer Autohupe lockte Harry ans vordere Fenster des Postamts. Tucker fing verärgert an zu bellen. Mrs Murphy öffnete ein Auge. Dann machte sie beide Augen auf.
»Gucken Sie sich das an!«, rief Harry.
Miranda, die sich in eine alte Kaschmirstrickjacke gehüllt hatte – sie kämpfte gegen einen Schnupfen an –, reckte den Hals. »Das ist ja wohl das hübscheste Ding, das man je gesehen hat.«
Pewter kam eilends aus Markets Laden. Sie hatte sich hauptsächlich deswegen dort sehen lassen, weil sie wusste, dass heute Schweinehälften eintreffen und in dem großen Gefrierraum hinter dem Laden aufgehängt würden.
Jody Miller, deren blaues Auge allmählich verblasste, stieg aus einem roten BMW-Sportwagen. Die Kotflügel waren abgerundet, die Windschutzscheibe in einem anmutigen Winkel nach hinten geneigt. Sie sprang die Stufen zum Postamt hinauf.
Harry öffnete ihr die Tür. »Was für ein schöner Wagen!«
»Ja.« Das junge Mädchen erschauerte vor Wonne.
»Hat dein Vater dir den gekauft?« Miranda dachte an ihren kleinen Ford Falcon. In ihren Augen hatte er ein ebenso edles Design wie dieses viel teurere Gefährt.
»Nein, ich hab ihn selbst gekauft. Als Großvater starb, hat er mir Geld vererbt, und das hat Zinsen gebracht. Schließlich hat es genug für ein neues Auto abgeworfen!«
»Haben ihn in der Schule schon alle gesehen?«, fragte Harry.
»Ja, und was sind sie neidisch.«
Da sie heute die erste Schülerin war, die die Post holen kam, wussten die Frauen nicht, wie die Jugendlichen auf den Zeitungsartikel reagiert hatten.
»Wie werden die Neuigkeiten über Mr Fletcher aufgenommen?«, erkundigte sich Miranda.
Jody zuckte die Achseln. »Die meisten denken, es war ein Unfall. Trotzdem sind sie richtig wütend auf Sean. Viele wollen nicht mehr mit ihm sprechen. Ich spreche auch nicht mehr mit ihm.«
»Ziemlich merkwürdiger Unfall«, murmelte Miranda.
»Mr Fletcher konnte ziemlich zerstreut sein.« Jody warf die Post auf den Schalter und strich sie glatt. »Ich habe ihn gemocht. Und ich werde ihn vermissen, aber Dad sagt, die Menschen haben ein Haltbarkeitsdatum, und Mr Fletchers war abgelaufen. Er sagt, es gibt eigentlich keine Unfälle. Jeder Mensch entscheidet, wann er geht.«
»Das entscheidet nur der Herr.« Miranda schob energisch das Kinn vor.
»Mrs Hogendobber, das müssen Sie mit Dad ausfechten. Es ist« – sie blickte zur Decke, dann wieder auf die beiden Frauen – »zu hoch für mich. Tschüs.« Sie fegte zur Tür hinaus.
»Kendrick scheint mir ein irregeleiteter Mensch zu sein – und kaltblütig obendrein.« Miranda schüttelte den Kopf.
Pewter kam durch die Tierpforte geschossen, dass die Klappe flatterte.
»He, die Karre würde mir gut stehen.«
»Pewter, du brauchst einen Kombi.« Mrs Murphy schlug nach ihr, als sie auf den Schalter sprang.
»Ich hab diese Scherze über mein Gewicht so satt. Ich bin eine gesunde Katze. Ich hab halt andere Knochen als du. Ich sag ja auch nichts darüber, dass dir die Haare am Bauch ausgehen.«
»Das ist nicht wahr!«
»Hmm.« Die graue Katze enthielt sich eines Kommentars, was die Tigerkatze erzürnte.
»Kriegen Katzen Glatzen?«, fragte Tucker.
»Sie schon.«
»Pewter, das ist nicht wahr.« Mrs Murphy warf sich auf den Rücken und präsentierte der Welt ihren pelzigen Bauch.
Harry bemerkte diese dreiste Zurschaustellung. »Bist du aber eine hübsche Mieze.«
»Glatzekatze.«
»Bin ich nicht.« Mrs Murphy drehte den Kopf und funkelte Pewter böse an.
Harry lachte. »Würden Sie nicht auch zu gerne wissen, worum es hier geht?«
»Doch.« Miranda blickte nachdenklich auf die Tiere. »Woher soll ich wissen, dass sie nicht über uns sprechen?«
»Und das sagt eine Frau, die Katzen nicht leiden konnte.«
»Na ja -«
»Sie haben mit mir geschimpft, weil ich Mrs Murphy und Tucker mit zur Arbeit gebracht habe, und Sie haben gesagt, es wäre unhygienisch, dass Market Pewter bei sich im Laden hielt.«
Mrs Hogendobber kitzelte Mrs Murphy am Bauch. »Ich habe mein Verhalten bereut. ›Herr, wie sind deine Werke so groß und viel! Du hast sie alle weislich geordnet, und die Erde ist voll deiner Güter.‹ Psalm 104.« Sie lächelte. »Katzen und Hunde sind Teil Seiner Güter.«
Wie aufs Stichwort kam Reverend Herbert Jones hereingeschlendert. »Mädels.«
»Herb, wie geht’s, wie steht’s?«
»Ich mache mir Sorgen.« Er öffnete sein Schließfach so schwungvoll, dass der Metallrahmen klappernd an das benachbarte Fach stieß.
Weitere Kostenlose Bücher