Mrs Murphy 06: Tödliches Beileid
wenn er nicht in meinen Mantel eingenäht wäre.«
»Ich mach’s« – Harry verschränkte die Arme – »und hole mir später die Belohnung ab.«
»Ich habe nicht genug Geld, um dir einen neuen Transporter zu kaufen.« Susan fing ihre mit blauem Nylongurt verschnürte Post auf, die Harry ihr zuwarf. »Eigentlich sieht dein Transporter wie neu aus, nachdem du ihn lackiert hast.«
»Auf unserer Farm ist alles supermanblau«, witzelte Mrs Murphy, »sogar der Düngerstreuer.«
An diesem Abend erörterten Mrs Murphy und Tucker, wie es ihnen gelingen könnte, einen Menschen zu dem gestrandeten Auto zu locken. Es fiel ihnen nichts ein, womit sie Harry dazu bringen könnten, ihnen eine so weite Strecke zu folgen. Menschen mochten hundert oder vielleicht sogar zweihundert Meter gehen, aber danach ließ ihre Konzentration merklich nach.
»Wahrscheinlich müssen wir uns auf das Glück verlassen.« Tucker ging im Mittelgang des Stalls auf und ab.
»Es heißt doch, dass Mörder an den Schauplatz des Verbrechens zurückkehren«, dachte Mrs Murphy laut.
»Das ist idiotisch«, warf Pewter ein. »Wenn sie ein bisschen Verstand im Kopf hätten, würden sie verschwinden, so schnell sie können.«
»Emotionen. Mord muss heftige Emotionen bei ihnen auslösen. Vielleicht kehren sie zurück, um diese Macht noch einmal zu spüren.« Die Tigerkatze spazierte auf den Dachsparren über der Box von Gin Fizz entlang.
Pewter, die sich auf der Satteltruhe auf einer warmen Pferdedecke zusammengerollt hatte, war anderer Meinung. »Heftig oder nicht, es wäre aberwitzig, nach Bowden’s Lane zu gehen. Überleg doch mal.«
»Ich überleg ja! Mir fällt nicht ein, wie ich jemanden dorthinlotsen könnte.«
»Du willst eigentlich gar nicht, dass Mutter es sieht, stimmt’s?« Tucker sah eine schattenhafte kleine Gestalt in die Box huschen. »Maus.«
»Ich weiß.« Mrs Murphy fasste den verschwindenden Schwanz ins Auge. »Das macht sie, um mich zu quälen. Aber stimmt, du hast recht. Es ist ein grausliger Anblick, und Mutter würde Albträume davon kriegen. Ich fand es auch nicht erbaulich, dabei sind wir in solchen Sachen zäher als Menschen.«
»Früher haben die Menschen ihre Verbrecher am Galgen hängen oder in Käfigen verrotten lassen. In London haben sie ihre Köpfe auf Torpfosten gespießt.« Tucker stellte sich eine von Verwesungsgeruch erfüllte Stadt vor, höchst angenehm für einen Hund.
»Die Zeiten sind lange vorbei. Heute ist der Tod steril.« Pewter sah die Maus auftauchen und in die entgegengesetzte Richtung flitzen. »Was ist denn das, eine Mäuseolympiade?«
Ein quiekendes Lachen folgte dieser Bemerkung.
»Diese Mäuse haben keinen Respekt«, knurrte Tucker.
32
Die Hände geduldig im Schoß gefaltet, saß Rick bei den Hallahans im Wohnzimmer. Sean, seine Mutter, sein Vater und sein jüngerer Bruder hörten ihm zu.
Cynthia hatte sich auf den Kaminsockel gehockt und machte Notizen.
»Sean, ich will ja nicht den Teufel an die Wand malen, aber wenn du die Todesanzeige nicht allein in die Zeitung gesetzt hast, musst du es mir sagen. Der andere hat vielleicht aufschlussreiche Informationen über Mr Fletchers Tod.«
»Dann wurde er ermordet?«, rief Mr Hallahan aus.
Rick erwiderte, die Hände beschwichtigend ausgebreitet: »Ich bin Sheriff. Ich muss alle Möglichkeiten in Betracht ziehen. Es könnte ein Unfall gewesen sein.«
Sean erwiderte mit klarer Stimme: »Ich war’s. Allein. Ich wünschte, ich hätte es nicht getan. In der Schule reden sie nicht mehr mit mir. Ich meine, manche schon, aber die anderen stellen sich an, als hätte ich ihn umgebracht. Es ist, als ob ich die Pest hätte.«
Mitfühlend sagte Cooper: »Das geht vorüber. Aber wir brauchen deine Hilfe.«
Rick sah ein Familienmitglied nach dem anderen an. »Wenn jemand von Ihnen etwas weiß, bitte, halten Sie es nicht zurück.« – »Ich wünschte, wir wüssten etwas«, erwiderte Mrs Hallahan, eine auffallend hübsche Brünette.
»Hat irgendwann jemand Ihren Sohn auf seiner Zeitungstour begleitet?«
»Sheriff, nicht, dass ich wüsste.« Mr Hallahan schlug abwechselnd die Beine übereinander, eine nervöse Angewohnheit. »Er hat den Zeitungsjob verloren, wie Ihnen sicher bekannt ist.«
»Sean?«, fragte Rick.
»Nein. Keiner wollte so früh aufstehen.«
Rick erhob sich. »Wenn Ihnen etwas einfällt – irgendetwas –, rufen Sie mich oder Deputy Cooper an.«
»Sind wir in Gefahr?« Mrs Hallahan stellte diese naheliegende Frage.
»Wenn Sean
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