Mrs Murphy 06: Tödliches Beileid
Sumach am Straßenrand. »Hast du gehört, dass April Shively im Gefängnis ist? Vielleicht hat sie’s getan.«
»Frauen morden nicht«, sagte Karen.
»Natürlich morden sie.«
»Nicht wie Männer. Fünfundneunzig Prozent aller Morde werden von Männern begangen, drum spricht alles dafür, dass es ein Mann war.«
»Karen, Frauen sind bloß schlauer. Sie lassen sich nicht erwischen.«
Sie lachten, als sie auf der Route 250 nach Staunton kamen.
45
Der November kann vertrackt sein. Angenehm warme Abschnitte verleihen den Ästen der Bäume, von denen manche noch mit bunten Blättern prunken, einen sanftgoldenen Schimmer. Die Temperatur hält sich ein paar herrliche Tage bei fünfzehn, sechzehn Grad, dann folgt schneidend kalte Luft und erinnert mit Macht daran, dass der Winter vor der Tür steht.
Heute war einer von diesen kupferglänzenden warmen Tagen, und Harry saß draußen hinter dem Postamt und verzehrte ein Schinkensandwich. Mrs Murphy, Pewter und Tucker saßen im Halbkreis zu ihren Füßen und überschütteten sie mit Aufmerksamkeit.
Mrs Hogendobber steckte den Kopf aus der Hintertür. »Lassen Sie sich Zeit mit der Mittagspause. Hier ist nicht viel los.«
Harry schluckte, um nicht mit vollem Mund zu sprechen. »Es ist ein wunderschöner Tag. Lassen Sie die Tür offen und setzen Sie sich zu mir.«
»Bring ein Sandwich mit«, bat Pewter.
»Später. Ich bin wild entschlossen, die Regale im Hinterzimmer aufzuräumen. Die sehen aus, als wäre ein Sturm durchgebraust.«
»Heben Sie sich das für einen Regentag auf. Kommen Sie«, redete Harry ihr zu.
»Ja, es ist wirklich herrlich heute, nicht?« Sie verschwand rasch und kam mit einem Sandwich und zwei süßen Brötchen mit Orangenglasur zurück, ihrer Spezialität.
Obwohl Mrs Hogendobbers Haus direkt gegenüber dem Hintereingang des Postamts lag, brachte sie ihr Mittagsbrot und das Gebäck gern mit zur Arbeit. Ein kleiner Kühlschrank und eine Kochplatte im Hinterzimmer ermöglichten es den beiden Frauen, ihr Imbissstübchen »Zur Post« zu betreiben, wie sie es manchmal nannten.
»Meine letzten Chrysanthemen.« Miranda wies auf die rostroten Blumen, die ihren herbstlichen Garten einfassten. »Was macht einen im Herbst so melancholisch?«
»Das Schwinden des Lichts.« Harry genoss den scharfen Senf, den sie auf ihr Sandwich gestrichen hatte.
»Und der Farben, obwohl ich mit Feuerdorn, Kamelien, die im Dezember blühen, und jeder Menge Stechpalmen an strategischen Stellen dagegen ankämpfe. Trotzdem, mir fehlen die Düfte des Sommers.«
»Kolibris.«
»Schlangenbabys.« Mrs Murphy nannte ihre Delikatessen.
»Mäusebabys«, fiel Pewter ein.
»Du kannst doch gar keine Maus töten.« Mrs Murphy lehnte sich an Harry, für den Fall, dass ihre Mutter auf die Idee käme, ihr was abzugeben.
Pewter, die ein direktes Vorgehen bevorzugte, hatte sich vor Harry hingesetzt, die hellgrünen Augen flehentlich emporgerichtet. »Das musst du gerade sagen. Der Stall wird langsam das reinste Mäuse-Manhattan.«
Tucker sabberte. Mrs Hogendobber gab ihr ein leckeres Stückchen Schinken, was die beiden Katzen erzürnte. Miranda brach auch für sie zwei Stückchen ab.
»Auf meinem ist Senf drauf«, beklagte sich Mrs Murphy.
»Dann ess ich’s«, erbot sich Tucker galant.
»Das glaubst du doch selber nicht.«
»Haben wir nicht ein Glück, dass Miranda all die leckeren Sachen macht?« Pewter schmatzte. »Sie ist die beste Köchin von Crozet.«
Cynthia Cooper kam langsam durch die Gasse gerollt und parkte neben Boom Booms BMW. »Schöner Tag heute.«
»Setz dich zu uns.«
Sie sah auf ihre Uhr. »Eine Viertelstunde.«
»Mach eine halbe draus und lass dein Funkgerät an.« Harry lächelte.
»Gute Idee.« Cynthia stellte den Motor ab, dann drehte sie ihre Funksprechanlage laut. »Mrs H., haben Sie heute Sandwiches für Market gemacht?«
»Ja, sicher.«
Cynthia sprintete durch die schmale Gasse zwischen dem Postamt und Markets Laden. Minuten später kam sie mit einem Sandwich mit geräuchertem Putenfleisch zurück, dick bestrichen mit Estragonmayonnaise und belegt mit Kopfsalatblättern, die beidseitig auf der ganzen Länge des Weißbrots herausschauten.
Die drei setzten sich auf die hintere Veranda. Hin und wieder plärrte das Funkgerät, aber es kam kein Ruf für Coop.
»Warum hast du dir die Fingernägel lackiert?« Harry bemerkte den himbeerroten Lack.
»Aus Langeweile.«
»Ist es nicht komisch, dass Little Mim dauernd ihre Frisur ändert? Jedes
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