Mrs Murphy 06: Tödliches Beileid
»Und wen hast du getötet?«
»Ratten.« Die verstellte Stimme brach in Lachen aus.
Er hörte das Rascheln des schweren schwarzen Stoffes, den leichten, schnellen Schritt. Er stürmte rechtzeitig auf der anderen Seite aus dem Beichtstuhl, um das Wehen eines schwarzen Umhangs am Seiteneingang, der sich rasch schloss, zu sehen. Er lief zur Tür und riss sie auf. Da war niemand, nur ein Blauhäher krächzte auf dem Kopf des Racheengels.
52
»Niemand?«
Lucinda Payne Coles, die sich den schweren Rock um die Beine gezogen hatte, um den ständigen Zug in dem alten Amtszimmer abzuwehren, sagte wieder: »Niemand. Ich bin immer hinten in der Kirche, Sheriff. Die vorne herein- und hinausgehen, kann ich nur sehen, wenn ich nach vorn gehe oder wenn sie hier hinten parken.«
Cynthia, die auch fröstelte, rückte näher an den silbergestrichenen Heizkörper heran. »Ist Ihnen in letzter Zeit aufgefallen, ob Father Michael ungewöhnlichen Besuch hatte?«
»Nein. Wenn ich überhaupt etwas bemerkt habe, dann, dass es stiller ist als sonst um diese Jahreszeit.«
»Danke, Mrs Coles. Sie können mich jederzeit anrufen, wenn Ihnen irgendetwas einfällt.«
Rick und Cynthia gingen hinaus. Feuchtkalter Nebel hüllte sie auf dem Friedhof ein. Sie bückten sich beim Seiteneingang. Auf Blättern waren Druckstellen zu sehen, ein leichter Schmierer auf der feuchten Oberfläche, den sie bis in den Friedhof verfolgten.
»Er war immerhin so schlau, seine Spuren zu verwischen«, sagte Cynthia.
»Oder sie. Das kann auf jede Person in diesem Bezirk zutreffen, die sich auf dem Land auskennt«, erwiderte Rick. »Oder jede, die genug Krimis gesehen hat.« Er setzte sich für einen Moment auf einen Grabstein. »Irgendeine Ahnung?«
»Nee.«
»Ich auch nicht.«
»Eins wissen wir. Der Mörder geht gern zur Beichte.«
»Nein, Coop, der Mörder gibt gern an. Wir haben eine einzige Hoffnung.«
»Und die wäre?« Sie sagte sich, eigentlich sei sie ja keine richtige Raucherin, als sie ein Päckchen Zigaretten aus ihrer Tasche zog.
»Ich nehm auch eine.« Rick streckte die Hand aus. Sie zündeten ihre Zigaretten an und inhalierten. »Wie viele von den Leuten, die hier beerdigt sind, mögen wohl an Nikotinvergiftung gestorben sein?«
»Ich weiß nicht.« Er lachte. »Ich könnte eines Tages einer von denen sein.«
»Was ist Ihre einzige Hoffnung, Chef?«
»Hochmut kommt vor dem Fall.«
53
Rick Shaw richtete in April Shivelys Büro einen vorläufigen Kommandoposten ein. Little Mim und Sandy Brashiers riefen die Schüler über Radio und Zeitung auf, sich zu Ermittlungen in der St.-Elizabeth-Schule einzufinden.
Jede Kraft, die Rick entbehren konnte, war in der Schule. Little Mim organisierte, und Sandy assistierte.
»- das Jahr hat super angefangen. Das Training hat super angefangen -« Karen Jensen lächelte den Sheriff an. »Unsere Klasse hatte eine Filmwoche. Wir haben eine Story geschrieben, haben sie in Szenen aufgeteilt, und Freitag haben wir gedreht. Mr McKinchie und Miss Thalman aus New York haben uns angeleitet. Das war toll. Ich kann mich auf nichts Merkwürdiges besinnen.«
»Sean?«
»Ach, Sie kennen Sean, er spielt gern den Bösen, aber er war in Ordnung.« Sie war entspannt, wollte gern behilflich sein.
»Wenn dir irgendetwas einfällt, komm wieder her oder ruf mich an.« Rick lächelte nachdenklich. Als Karen gegangen war, sagte er zu Cooper: »Keine laufende Nase, keine roten Augen oder erweiterten Pupillen oder stecknadelkleinen Pupillen. Keine Anzeichen von Drogenmissbrauch. Wir haben die halbe Klasse durch – wenn bloß Sean wieder bei Bewusstsein wäre.«
»Wenn er Vater wird, das erklärt vieles.«
»Nicht genug«, brummte Rick.
Cynthia blätterte in ihren Notizen. »Er hat Botengänge für April Shively gemacht. Jody Miller sagt, Sean konnte kommen und gehen, wie er wollte!« Sie klappte das Notizbuch zu.
Ein Bellen vor der Tür verwirrte die Polizisten einen Moment, dann öffnete Cynthia die Tür. Mit gesträubtem Fell stürmte Tucker herein. »Wir können euch helfen!«
Mrs Murphy und Pewter folgten mit weniger augenfälligem Enthusiasmus.
»Wo ist Harry?«
Wie zur Antwort auf Coops Frage kam Harry mit einem weißen Plastikbehälter, der von Post überquoll, zur Tür herein. »Roscoes und Maurys Post.« Sie knallte den Behälter auf den Tisch. »Ich habe Naomis Post in ihr Schließfach gesteckt.«
»Irgendetwas Ungewöhnliches dabei?«, erkundigte sich Rick.
»Nein. Private Briefe und
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