Mrs Murphy 06: Tödliches Beileid
rechten Reihe. Harry, Susan und Ned waren ebenfalls anwesend. Abgesehen von dieser kleinen Schar war die Kirche leer. Hätte Darla ihr berühmtes und berüchtigt restauriertes Antlitz gezeigt, wäre die Kirche aus allen Nähten geplatzt.
Wieder im Postamt, sann Harry darüber nach, was ein lebenswertes Leben ausmachte.
Um fünf Uhr nachmittags legte sie April Shivelys Post zurecht.
»Glauben Sie, dass sie Sie hereinlässt?«
Harry zog die Augenbrauen hoch. »Miranda, das ist mir egal. Wenn sie nicht aufmacht, leg ich ihr die Post vor die Hintertür. Brauchen Sie was, wenn ich schon mal unterwegs bin? Ich komme an Critzers Gärtnerei vorbei.«
»Nein, danke. Ich habe meine Frühjahrszwiebeln schon alle gesetzt«, lautete die leicht selbstgefällige Antwort.
»Schön – dann bis morgen.«
Zehn Minuten später bog Harry in einen langen, gewundenen Feldweg ein, der zu einem schmucken zweigeschossigen Haus im Kolonialstil führte. Blair Bainbridge hatte Harry seinen Transporter geliehen, bis ihrer repariert war. Sie klopfte an die Tür, erhielt aber keine Antwort. Sie wartete ein paar Minuten, dann legte sie die Post vor die Hintertür. Als sie sich zum Gehen wandte, ging im ersten Stock ein Fenster auf.
»Ich habe keine Angst, meine Post selbst abzuholen.«
»Ihr Schließfach ist übergequollen. Dachte, ich erspar Ihnen den Weg.«
»Weiß man schon, ob Sean überleben wird?«
»Nein. Das Krankenhaus gibt keine Informationen heraus, und es erlaubt keinen Besuch. Das ist alles, was ich weiß.«
»Der Junge hat kein Hirn im Kopf. Haben Sie Sandy Brashiers oder Naomi gesehen?« April ließ ein halbes Lachen hören. Ihr Tonfall war höhnisch.
Harry seufzte ungeduldig. »Ich bezweifle, ob die Lust der beiden, Sie zu sehen, größer ist als Ihre Lust, sie zu sehen. Marilyn ist auch nicht mehr Ihr größter Fan.«
»Was kümmert mich die?« April machte eine abfällige Handbewegung. »Sie ist eine schlechte Imitation einer schlechten Mutter.«
»Big Mim ist in Ordnung. Man muss sie nur nehmen, wie sie ist.«
»Meinst du, wir können rein?«, fragte Tucker.
»Nein«, antwortete Murphy. »Die geht nicht von dem Fenster weg.«
»Was sagen die Leute über mich?«, wollte April wissen.
»Oh – dass Sie Sandy hassen, dass Sie Roscoe geliebt haben und dass Sie Sandy beschuldigen, um Ihre eigenen Spuren zu verwischen. Falls Geld fehlt, müssten Sie es haben oder wissen, wo es ist.«
»Ha!«
»Aber du weißt was, April. Das weiß ich genau«, miaute Murphy laut.
»Die Katze hat ein großes Maul.«
»Selber Großmaul«, antwortete Murphy frech.
»Genau!«, fiel Pewter ein.
»April, ich wünschte, Sie würden reinen Tisch machen.« Harry zog den Reißverschluss ihrer Jacke zu. »Die Schule ist wie eine Gruft. Wie immer Sie zu Sandy stehen – ist es das wert, St. Elizabeth und alles zu vernichten, was Roscoe so mühevoll aufgebaut hat?«
»Weiter so, Mom.« Tucker wusste, dass Harry einen wunden Punkt getroffen hatte.
»Ich und St. Elizabeth vernichten! Wenn Sie von Zerstörung reden wollen, dann reden wir doch von Sandy Brashiers, der will, dass wir unsere Mittel und Energien auf ein Programm aus dem neunzehnten Jahrhundert verwenden. Computerausbildung ist ihm gleichgültig, die Filmkursidee ist ihm verhasst, und Sport duldet er nur, weil er muss – wenn er die Leitung übernimmt, werden Sie sehen, dass das Sportbudget von Jahr zu Jahr mehr gekürzt wird. Er wird es zunächst langsam angehen, aber ich kenne ihn! Dieser armselige Kriecher.«
»Dann kommen Sie zurück.«
»Ich bin gefeuert!«
»Wenn Sie die Unterlagen aushändigen -«
»Nie. Nicht an Brashiers.«
Harry hob die Hände. »Dann geben Sie sie Sheriff Shaw.«
»Das ist gehupft wie gesprungen. Er würde sie der Schule übergeben.«
»Er kann sie als Beweisstücke beschlagnahmen.«
»Sind Sie so blöd, oder halten Sie mich für so blöd?«, schrie April. »Little Mim wird jammern, und Mommy macht Rick Shaw Feuer unterm Hintern. Wenn nicht in die Schule, wandern die Papiere ins Haus Sanburne.«
»Wie können Sie sonst Ihren Namen reinwaschen?«
»Wenn die Zeit gekommen ist, werde ich handeln. Warten Sie’s ab.«
»Mir wird wohl nichts anderes übrig bleiben.« Harry gab es auf. Als sie zum Transporter zurückging, hörte sie, wie das Fenster zugeknallt wurde.
»Die Zeit vergeht manchmal auf seltsame Weise«, bemerkte Murphy trocken.
51
Auf der Rückfahrt nach Crozet hielt Harry an und überredete Mrs Hogendobber, mit ihr in ihrem
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