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Mrs Roosevelt und das Wunder von Earl’s Diner: Roman (German Edition)

Mrs Roosevelt und das Wunder von Earl’s Diner: Roman (German Edition)

Titel: Mrs Roosevelt und das Wunder von Earl’s Diner: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Kelsey Moore
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duftende Mahlzeiten zubereitete, die sie ihr an besonders schlechten Tagen eigenhändig und Löffel für Löffel einflößte. Und in den vielen Stunden, die sie an Barbara Jeans Bett saß, während ihre Freundin sich an ihrem üppigen Busen ausweinte, flüsterte die unerschrockenen Odette Barbara Jean ins Ohr, dass nun die Zeit angebrochen sei, furchtlos zu sein.
    Clarice dagegen kam eine in braunes Wildleder gebundene Bibel schwingend. Vorne auf den Buchdeckel war in goldenen Buchstaben Barbara Jeans Name geprägt, und auf dem Buchrücken stand »Erlösung = Calvary-Baptist-Kirche«. Wochenlang las Clarice ihr aus dem Buch Hiob vor und erinnerte sie daran, dass das fünfte Kapitel bei Matthäus verhieß: »Selig sind die, die da Leid tragen, denn sie werden getröstet werden.«
    Aber beide Freundinnen brachten Barbara Jean Mittel gegen die falsche Krankheit. Was sie mehr noch brauchte als Mut oder Mitleid und wonach sie Clarices Bibel in den darauffolgenden Jahren vorwärts und rückwärts durchforstete, war ein Hinweis darauf, wie sie sich von dem Backstein der Schuld befreien könnte, der auf ihrer Brust lastete und ihr das Atmen schwer machte.
    So gut gemeint es auch sein mochte, stattete Clarices Geschenk Barbara Jean bloß mit einer langen Reihe von Gründen aus, stinksauer auf Gott zu sei, während die Last der Schuld sie zermalmte.
    Barbara Jean fand sich erst wieder in der Lage, Adams Zimmer zu verlassen, nachdem sie mit Gott zu einer Einigung gefunden hatte. Sie würde weiterhin jede Woche lächelnd und nickend dem Gottesdienst in der First Baptist folgen, so wie sie es immer getan hatte. Und sie würde ihn auch nicht dafür anprangern, dass er sich so fordernd und launisch verhielt wie ein unartiges zweijähriges Kind, jeder Zeit bereit seine gierige Hand auszustrecken, um sich das zu schnappen, was am hellsten strahlte. Als Gegenleistung für ihre Rücksichtnahme verlangte Barbara Jean nur, dass Gott sie in Frieden ließ. Dieser Pakt hatte jahrzehntelang gut funktioniert. Doch dann, mit Big Earls plötzlichem Dahinscheiden, erinnerte Gott Barbara Jean daran, mit wem sie es zu tun hatte. Mit dem Todesbringer, dem großen Possenmacher, dem Herrn über Blitz und Donner. Er gab ihr eindeutig zu verstehen, dass er nicht mehr die Absicht hatte, die Bedingungen für ihren Waffenstillstand zu respektieren.
    Barbara Jean legte die Bibel auf den Beistelltisch aus dem achtzehnten Jahrhundert, der neben ihrem Sessel stand, und trat an den Spiegel über dem Kamin, um sich selbst zu mustern. Sie sah nicht zu schlecht aus – ein bisschen verquollen, aber nichts, was sich nicht mit einem Eisbeutel beheben ließe. Außerdem war die Sonne noch nicht aufgegangen, also hätte sie noch etwas Zeit, sich auszuruhen, damit sicher war, dass sie für Big Earl auch gut aussah. Denn sie war entschlossen, perfekt auszusehen, wenn sie ihrem Freund Lebewohl sagte.
    Sie hatte ihr Outfit bereits früher am Abend, bevor sie in die Bibliothek gegangen war, herausgelegt. Aus Respekt würde sie ein schwarzes Kleid tragen. Aber sie entschied sich für fuchsiafarbene Schuhe, einen passenden Gürtel und dazu einen weißen Hut mit Büscheln roter und schwarzer Lederrosen rund um die breite Krempe. Das kleine Schwarze endete weit über dem Knie und war am rechten Saum leicht geschlitzt. Clarice würde es verabscheuen und sich auf die Zunge beißen müssen, um das nicht auch laut zu sagen. Aber Barbara Jean zog es ja auch nicht für Clarice an. Sie würde es für Big Earl tragen.
    Als sie noch ein Teenager war und sich dafür schämte, immer die auffälligen, billigen Klamotten ihrer Mutter auftragen zu müssen, machte Big Earl es sich zur Gewohnheit, Barbara Jean jedes Mal, wenn er sie sah, zu sagen, wie hübsch sie aussah. Aber nicht wie ein alter Lustmolch oder ähnliches. Er lächelte sie bloß an und sagte: »Du siehst himmlisch aus heute«, auf eine Weise, dass sie sich fühlte, als trage sie Haute Couture. Oder er sah sie in einem der glänzenden und viel zu kurzen Röcke ihrer Mutter ins Diner kommen, drehte sich zu Miss Thelma um und sagte: »Sieht Barbara Jean nicht aus wie eine Blume?« Überall sonst in der Stadt mochte man sie für Abschaum halten, aber innerhalb der geschlossenen Wände des All-You-Can-Eat war sie eine Blume.
    Lange nachdem Barbara Jean die Wahl hatte und es besser wusste, entschied sie sich hin und wieder für das Grellste und Engste, was ihr Kleiderschrank hergab, und stolzierte an einem Sonntagnachmittag ins

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