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Mrs Roosevelt und das Wunder von Earl’s Diner: Roman (German Edition)

Mrs Roosevelt und das Wunder von Earl’s Diner: Roman (German Edition)

Titel: Mrs Roosevelt und das Wunder von Earl’s Diner: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Kelsey Moore
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Odette.
    Clarice fiel die Kinnlade herunter, als sie Odette mit solcher Überzeugung lügen hörte.
    Der Mann überlegte einen Moment lang und besann sich. Er erhob sich vom Stuhl, torkelte heftig und stellte sich direkt hinter Barbara Jean. Er beugte sich vor und drückte mit seinen riesigen Händen ihre Oberarme. Dann stützte er sein Kinn auf ihren Kopf. »Nicht nötig, dass sich dein Vater Umstände macht«, sagte er. »Deine Mama hat recht. Mein kleines Mädchen sollte heute Abend unter Frauen sein. Bleib nur nicht zu lange weg. Ich will mir keine Sorgen machen müssen.«
    Er stand eine Weile da, hielt weiter schwankend Barbara Jeans Arme fest und stierte vor sich hin. Schließlich sagte Barbara Jean: »Ich muss mich noch umziehen«, und entzog sich seitlich seinem Griff. Der Mann geriet aus dem Gleichgewicht und musste sich am Stuhl festhalten, um nicht vornüber auf die Tischplatte zu kippen.
    Barbara Jean machte nur ein paar Schritte und öffnete eine Tür, die zur Küche hinausführte. Sie betrat das kleinste Schlafzimmer, das Clarice je gesehen hatte. In Wahrheit war es bloß eine Vorratskammer mit einem Bett und einer ramponierten Kommode darin. Und das Bett war ein Kinderbett, viel zu klein für einen Teenager. Clarice sah durch die halb geöffnete Tür zu, wie Barbara Jean ihre geschmacklose schwarze Bluse auszog. Dann nahm sie einen Parfümflakon von der Kommode und drückte mehrmals auf den Pumpzerstäuber, um die Stellen zu besprühen, an denen sie der Mann angefasst hatte, als trage sie Desinfektionsmittel auf. Als sie Clarices Blick im Spiegel bemerkte, warf sie schnell die Tür zu.
    Der Mann richtete sich gerade auf und sagte: »Ihr entschuldigt mich, ich muss mal pinkeln gehen.« Er schlurfte davon, blieb aber in der Küchentür stehen und drehte sich noch einmal zu Clarice und Odette um. Er zwinkerte und sagte: »Brav sein, und trinkt mir nicht den ganzen Whiskey aus, während ich weg bin.« Dann verließ er den Raum. Ein paar Sekunden später konnten sie vom Ende des Flurs her hören, wie er sich erleichterte und dabei vor sich hinsummte.
    Als sie allein waren, nutzte Clarice die Gelegenheit, um Odette noch einmal fest zu treten. Diesmal sagte Odette: »Autsch, lass das!«
    »Warum hast du das gemacht? Wir hätten schon längst wieder hier raus sein können.«
    Odette erwiderte: »Wir können sie nicht einfach hierlassen – mit ihm.«
    »Können wir schon. Sie wohnt hier.«
    »Vielleicht, aber wir lassen sie hier nicht mit ihm allein, wo gerade erst ihre Mutter beerdigt worden ist.«
    Es hatte keinen Zweck, mit Odette zu diskutieren, wenn sie erst einmal einen Entschluss gefasst hatte, also sagte Clarice nichts mehr. Es war klar, dass Odette dieses katzenäugige Streunermädchen gesehen und sich in den Kopf gesetzt hatte, es zu adoptieren.
    Als Barbara Jean wieder aus ihrer beengten Zelle auftauchte, hatte sie eine glitzernde rote Bluse an und denselben schwarzen Rock wie vorher. Ihr Haar, das zuvor zurückgekämmt und hochgesteckt gewesen war, fiel nun in Wellen über ihre Schultern, und sie hatte Lippenstift passend zur Bluse aufgetragen. Vielleicht stank sie nach billigem Parfüm, aber sie sah aus wie ein Filmstar.
    Der Mann kam in die Küche zurück und sagte: »Du siehst genauso aus wie deine liebe Mama.« Barbara Jean starrte ihn mit so viel Hass an, dass Clarice und Odette ihn wie eine heiße Windböe durch den Raum fegen spürten.
    Als der Mann wieder auf seinen Stuhl sank und nach der Flasche griff, sagte Barbara Jean: »Tschüs, Vondell.« Und sie war aus der Küche und den Gang hinunter, noch bevor Clarice und Odette überhaupt angefangen hatten, sich von dem triefäugigen Mann am Tisch zu verabschieden.
    Draußen vor dem Haus standen sie da und sahen sich an. Clarice konnte das Schweigen nicht ertragen, also log sie, wie man ihr beigebracht hatte, zu lügen, nachdem man einen unangenehmen Verwandten von jemandem kennengelernt hatte: »Dein Stiefvater scheint nett zu sein.«
    Odette verdrehte die Augen.
    »Er ist nicht mein Stiefvater«, sagte Barbara Jean. »Er ist der … von meiner Mutter … der … Ach, er ist niemand, das ist es, was er ist.«
    Sie gingen gemeinsam und wieder schweigend ungefähr einen halben Häuserblock weiter. Nach einer Weile sagte Barbara Jean: »Hört mal, ich bin euch dankbar, dass ihr mich von zu Hause weggeholt habt. Das bin ich wirklich. Aber ihr müsst mich nirgends mit hinnehmen. Ich kann einfach ’ne Weile rumlaufen.« Sie blickte auf ihre Uhr,

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