Mrs Roosevelt und das Wunder von Earl’s Diner: Roman (German Edition)
Nase an: »Das wird dich lehren, Miss Minnies Fähigkeiten nicht mehr in Zweifel zu ziehen. Diesmal hat sie den Nagel wirklich auf den Kopf getroffen. Er ist genau so, wie sie ihn mir beschrieben hat – groß, attraktiv, gut gekleidet. Ich habe ihn gesehen und zu Sharon gesagt: ›Los, stell dich ihm vor. Dieser Mann ist dein zukünftiger Ehemann.‹ Und schon nach ein paar Verabredungen hat er sie gefragt, ob sie Mrs Abrams werden will.«
Veronica war tief überzeugt von Minnies Fähigkeiten, seit sie sich vor ein paar Jahren das erste von unzähligen Malen von ihr die Karten hatte legen lassen. Clarice war sich sicher, dass ihre Cousine Miss Minnie diesen ersten Besuch nur aus einem einzigen Grund abgestattet hatte. Um Clarice zu ärgern nämlich, denn Veronica wusste ganz genau, was Clarice von der Wahrsagerin hielt. Bei dieser Sitzung sagte Minnie voraus, dass Veronicas Mann einen Unfall haben würde. Wie es der Teufel wollte, landete Clement noch am selben Tag im Krankenhaus, nachdem er sich bei der Arbeit verletzt hatte. Mehr Beweise brauchte Veronica nicht. Seither nahm sie alles, was Minnie sagte, für bare Münze. Clarice hatte sie so freundlich wie möglich daran erinnert, dass es keine besondere Meisterleistung war, einen Unfall von Clement vorherzusagen. Er arbeitete beim Bau, und weil er ein solcher Vollidiot war, schnitt, stach oder verbrannte er sich praktisch im Wochentakt. Das war ganz einfach die unvermeidliche Folge davon, diesen Trottel in einen Raum mit Bandsägen, Druckluftnaglern und Schweißbrennern zu lassen. Man musste also wirklich nicht das zweite Gesicht haben, um so etwas kommen zu sehen. Doch Veronica war davon überzeugt, dass das Schicksal, das ihr ja bereits schon einen wohlverdienten Geldsegen beschert hatte, sie nun auch mit ihrem persönlichen Orakel ausgestattet hatte, das ihrer gesellschaftlichen Bedeutung entsprach, und war für alle Gegenargumente taub.
Richmond fragte: »Sharon heiratet Ramsey Abrams’ Jungen?« Als Veronica nickte, blickte Richmond erst nach links und nach rechts, um sich zu vergewissern, dass niemand in Hörweite war, und flüsterte: »Ich will ja nicht schlecht von dem Jungen reden, aber weiß Sharon die Sache von ihm und den Damenschuhen?«
»Nicht der Abrams-Junge«, schnauzte sie ihn an. »Sharon heiratet seinen Bruder.«
Clifton, der Abrams-Junge, der nun mit Sharon verlobt war, hatte bereits seine gesamte Jugend mit Gelegenheitsdiebstählen zugebracht und damit, sich zuzudröhnen. Als Erwachsener hatte er dann mehr Zeit im Gefängnis verbracht als draußen. Clarice hielt es für sehr wahrscheinlich, dass der Abrams-Junge Sharon bloß deshalb einen Antrag gemacht hatte, weil er hoffte, das Geld ihrer Mutter in die Finger zu bekommen, bevor es ganz verbraucht war.
Als daraufhin niemand etwas sagte, schien Veronica zu erraten, was alle dachten. Also fügte sie hinzu: »Clifton hat sich verändert. Er wurde gerettet durch den Herrn und durch die Liebe einer anständigen Frau.« Dann blickte Veronica hinüber zu Minnies Wahrsagetisch. »Ich hatte gehofft, Miss Minnie könnte mich für eine kurze Sitzung dazwischenschieben. Ich will wissen, was ihr spiritueller Führer sagt, bevor ich mich für einen Hochzeitstermin entscheide. Ich habe Sharon gesagt, dass ich mich um alles kümmern werde, damit sie sich darauf konzentrieren kann abzunehmen. Ich will, dass sie genauso toll aussieht wie ihre Schwestern bei deren Hochzeiten.«
Clarice sagte: »Das ist ja so lieb von dir«, aber sie dachte etwas ganz anderes. Sie dachte daran, dass Sharons ältere Schwestern wohl zwei der hässlichsten Frauen waren, die sie je gesehen hatte. Sie hatten die dichten Augenbrauen und eng beieinander liegenden Augen ihrer Mutter und die riesigen Ohren und das fliehende Kinn ihres Vaters geerbt. Und so dürr wie die älteren Mädchen waren, tat Veronica ihrer Jüngsten sicher keinen Gefallen, wenn sie sie dahingehend trimmte, dass sie wie ihre Schwestern aussah.
Die Tür zum All-You-Can-Eat ging erneut auf, und Minnie McIntyre, eingehüllt in einen schwarzen Umhang, der über und über mit silbernen Augen beklebt war, schritt herein. Seit der Beerdigung ihres Mannes hatte sie Little Earls weiches Herz ausgenutzt und ihn dazu gebracht, ihr zu erlauben, auch Sonntagssitzungen abzuhalten. Natürlich machte er sich nun weniger Sorgen, seine konservativen Gäste vor den Kopf zu stoßen, jetzt da seine All-You-Can-Eat -Merchandisingartikel so gut bei den Collegekids
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