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Mrs Roosevelt und das Wunder von Earl’s Diner: Roman (German Edition)

Mrs Roosevelt und das Wunder von Earl’s Diner: Roman (German Edition)

Titel: Mrs Roosevelt und das Wunder von Earl’s Diner: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Kelsey Moore
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zu verlassen, wenn es darum ging, sie durch die Nächte zu bringen, in denen Richmond nicht auftauchte. Anstatt wach zu liegen und darüber zu schmoren, wo ihr Mann sich wohl herumtrieb, war sie dazu übergegangen, so lange Klavier zu spielen, bis sie zu erschöpft war, um noch zu grübeln. Am Abend zuvor hatte Clarice gegen Mitternacht angefangen, Beethovensonaten zu spielen, und das nächste, an das sie sich erinnerte, war, dass sie Richmonds Heimkehr um sechs Uhr morgens mit einer wütenden Fuge unterstrich. Nun taten ihr die Finger weh, und sie konnte kaum noch die Arme heben.
    Sie piekste Odette mit der Gabel in die Schulter und sagte: »Wach auf. Du fängst schon an zu schnarchen.«
    Odette erwiderte: »Ich habe nicht geschlafen. Und ich habe auch sicher nicht geschnarcht. Ich schnarche nie.« James entfuhr ein Prusten. »Ich habe jedes Wort gehört«, sagte Odette zu Clarice. »Du hast davon gesprochen, wie überrascht du gestern warst, wie viel Beethoven du noch auswendig spielen kannst. Siehst du, ich habe zugehört.«
    »Die Geschichte habe ich schon vor zehn Minuten zu Ende erzählt, Odette. Seitdem habe ich dir bloß beim Schlafen zugeschaut. Ist mit dir alles in Ordnung?«
    Odette wich Clarices Frage aus. »Tut mir leid«, sagte sie, »aber dieses Schuljahr nimmt mich ziemlich mit. Die Kinder werden jedes Jahr aufmüpfiger. Und die Eltern, tja, die sind einfach unmöglich. Es scheint, als seien alle Kinder auf irgendeiner seltsamen Diät, die mir die Eltern persönlich erklären müssen. Und ob du’s mir glaubst oder nicht, sie machen mir dann unmissverständlich klar, dass sie mich und den gesamten Schuldistrikt verklagen werden, wenn ihre kleinen Lieblinge auch nur in die Nähe einer Erdnuss oder eines Körnchens raffinierten Zuckers kommen. Es ist fast so, als seien sie alle in irgendeinem Labor gezüchtet worden, allesamt mit einer Allergie gegen dies und einer Unverträglichkeit gegen das. Und dann versuch mal, die Kinder so kurz vor Halloween davon abzuhalten, Süßigkeiten voller Schokolade und Nüssen zu verhökern. Ich dreh noch mal durch.«
    Barbara Jean sagte: »Die Kinder haben sich nicht verändert, Odette, sondern du. Du wirst langsam alt.«
    »Vielen Dank auch – euch beiden. Es ist mir wirklich eine Freude, zum Sonntagsessen hierherzukommen und mir sagen zu lassen, dass ich eine klapprige, alte Frau bin, die schnarcht. Warum ich weiterhin mit euch Hexen herumhänge, weiß ich wirklich nicht.«
    Clarice lachte und sagte: »Du hängst mit uns rum, weil wir die Einzigen sind, die sich trauen dir zu sagen, dass du schnarchst und dass du alt bist. Aber mach dir nichts draus. Wir sitzen alle im selben Boot.«
    Am anderen Ende des Tisches sagte Richmond: »Also, das ist ja mal ein schöner Wagen.«
    Alle drehten sich um und sahen das Auto, das Richmond bewundert hatte. Es war ein stahlgrauer Lexus, perfekt poliert und mit stark abgedunkelten Scheiben, so dass man nicht erkennen konnte, wer am Steuer saß.
    Niemand sagte etwas, denn alle am Tisch spürten in diesem Moment Lesters Fehlen. Er hätte in so einem Moment sicher das Gespräch übernommen. Lester war ein Autonarr gewesen. Er hätte gesagt, dass der Lexus zwar hübsch anzuschauen, aber viel zu klein sei. Seit den Neunzehnsiebziger Jahren beklagte er, dass Luxusautos eine Enttäuschung seien, seit man »ihnen die Größe genommen hat«. Jedes Jahr nahm er ein Maßband mit zum Cadillac-Händler und kaufte den Längsten von allen, ungeachtet von Farbe und Stil.
    Der Lexus fuhr mit nicht mehr als fünf Kilometer pro Stunde. Nur ein paar Schritte vor ihm joggte eine korpulente junge Frau in Zeitlupe dahin, gekleidet in einen blauen Pulli und eine blaue Trainingshose mit dunklen Schweißflecken, und hatte sichtlich Mühe, die Füße vom Asphalt zu heben.
    »Ist das nicht die Tochter deiner Cousine?«, fragte Barbara Jean Clarice.
    »Doch, das ist Sharon.«
    Das Fenster auf der Fahrerseite glitt hinunter, und Veronica steckte den Kopf hinaus. Sie rief ihrer Tochter etwas zu, das die Zuschauer im Restaurant jedoch nicht hören konnten.
    »Was um Himmels willen macht Sharon da?«, fragte Odette.
    »Sie trainiert«, erwiderte Barbara Jean.
    Clarice meinte: »So ein dickes Mädchen sollte nicht laufen gehen. Das ist ja Selbstmord.«
    Der Wagen bremste, und sie sahen zu, wie Veronica in zweiter Reihe parkte und ausstieg. Sie ging zu ihrer Tochter, die vornüber gebeugt auf der Straße stand und nach Luft japste, und hob drohend den Finger. Sharon

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