Mueller, Carin
anrufen. Man kann Adrian sicher eine Menge unterstellen, aber nicht, dass er ein schlechter Kerl ist, der seine Frau im Stich lässt. Die beiden müssen das klären, es geht einfach um zu viel.«
»Das mag schon sein, aber findest du den Zeitpunkt nicht ein bisschen fragwürdig?« Katia regte sich jetzt richtig auf. »Antonella liegt im Krankenhaus und kämpft darum, dass ihr Baby nicht viel zu früh auf die Welt kommt. Und da soll sie ein Klärungsgespräch mit ihrem idiotischen Mann führen? Ich bitte dich!«
»Kathi …«
»Hör mir auf mit Kathi! Wir sollten uns da überhaupt völlig raushalten und uns ausschließlich um Elisa kümmern. Damit helfen wir Antonella im Moment bestimmt am meisten.«
»Ich weiß nicht.« Giovanni kratzte sich ratlos am Kopf. »Ich glaube einfach, dass es das Richtige ist, wenn er es erfährt. Dann kann er entscheiden, was er tut.«
»Und ich glaube, dass es falsch ist! Antonella vertraut nämlich darauf, dass du in ihrem Sinne handelst. Und sie hat explizit gesagt, dass sie nicht will, dass Adrian etwas erfährt.«
»Du hast ja Recht. Vor allem damit, dass Antonella darauf vertraut, dass ich in ihrem Sinn handle!« Giovannis Gesicht hellte sich auf. »Und ja, sie hat gesagt, dass sie ihn nicht sehen will, aber ich weiß auch, wie stur sie sein kann, und ich bin sicher, dass sie sich im Moment nichts mehr wünscht, als dass Adrian bei ihr ist und sie tröstet!« Triumphierend griff er zu seinem Handy.
Katia sah ihn entgeistert an. »Tu, was du tun musst, aber nur fürs Protokoll: Ich bin dagegen! Ich halte es sogar für einen absoluten Irrsinn!!« Damit stand sie auf, um erst nach Elisa und dann nach den Welpen zu sehen. Dieses Gespräch wollte sie nicht bezeugen müssen.
Eine Stunde später klopfte Adrian sachte an die Tür des Krankenhauszimmers. Das kurze Telefonat mit seinem Schwager hatte ihn völlig aus der Bahn geworfen. Noch ein Punkt mehr, den er seiner endlosen Liste der Gründe zur Selbstzerfleischung anfügen konnte. Wenn ihr oder dem Kind irgendetwas passierte, würde er sich das niemals verzeihen können. Er war sofort ins Auto gesprungen und zur Klinik gefahren. Auf dem Weg aber waren ihm Zweifel gekommen – was, wenn sie sich nur noch mehr aufregte? Was, wenn sie ihn wirklich nie mehr sehen wollte? Wäre es nicht besser, bis morgen zu warten, bis sie sich hoffentlich wieder stabilisiert hatte? Doch nach einer halben Stunde des quälenden Abwägens auf dem Parkplatz hatte er sich entschlossen hineinzugehen.
Als auf sein Klopfen keine Reaktion kam, öffnete er vorsichtig die Tür. Antonella war alleine im Zimmer. Sie lag seitlich zusammengerollt in Richtung Fenster und schien zu schlafen. Im Raum brannte nur ein Nachtlicht, und in der schummerigen Beleuchtung wirkte sie unglaublich zerbrechlich. »Antonella, ich bin da«, sagte er mit gedämpfter Stimme, doch sie reagierte nicht. Leise zog er Jacke und Schuhe aus und legte sich behutsam hinter sie aufs Bett. Immer noch keine Reaktion. Sie atmete ruhig und gleichmäßig. Völlig von seinen Gefühlen übermannt, schlang er einen Arm um sie und vergrub sein Gesicht in ihren Haaren. Er streichelte ihren Bauch und dann ihren Arm, an dem ein Schlauch hing. »Es tut mir so leid!« Er wollte ihr so viel mehr sagen, aber statt Worten flossen nun die Tränen bei ihm.
Nach einer Weile fühlte er, wie sie seine Hand drückte. »Ich habe solche Angst«, sagte sie leise. »Um das Baby und noch viel mehr um uns.«
Er zog sie fest an sich. »Ich habe auch Angst, aber jetzt bin ich ja da. Ich verspreche dir, wir kriegen das alles hin!« Er versuchte, optimistisch zu klingen. »Das Wichtigste ist, dass du erst mal wieder auf die Beine kommst und dass das Kleine die nächsten Wochen bleibt, wo es ist. Antonella, ich liebe dich, und ich weiß, dass du mich auch liebst, denn sonst hättest du niemals so reagiert.« Seine Stimme wurde wieder brüchiger. Sie sagte lange Zeit nichts.
»Aber was, wenn Liebe einfach nicht reicht?«, fragte sie schließlich.
»Wie meinst du das?«
»Ach, Adrian, das mit uns war doch vom ersten Moment an schwierig. Du lässt doch selbst keine Gelegenheit aus, mich immer wieder darauf hinzuweisen. Mein Gott, wir hätten niemals sofort mit dem Kinderkriegen anfangen dürfen, so hatten wir ja nicht mal eine Chance, uns richtig kennenzulernen. Unsere Beziehung war doch bisher ein einziger Ausnahmezustand, schließlich war ich die meiste Zeit davon schwanger.« Sie wischte sich ihre Tränen aus den Augen
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