Mueller, Carin
Jahren habe ich einen kleinen Interior-Laden in Bockenheim, der aber ehrlich gesagt nicht besonders gut läuft. Was sicher nicht an der Qualität liegt, das muss ich uneitel behaupten, sondern an meinen eher ungewöhnlichen und unflexiblen Öffnungszeiten. Ich bin alleinerziehende Mama, und meine beiden Jungs sind jeden Tag nur bis 16 Uhr betreut. Und machen wir uns nichts vor, wer kauft schon Kissen und Vorhänge in der Zeit zwischen 10 und 15 Uhr? Ich suche also eine Alternative. Eine Tätigkeit, bei der ich meine Talente einsetzen und gleichzeitig die immer hungrigen Mäulchen meiner Kinder stopfen kann, wäre mein Traum! Würde mich freuen, von Ihnen zu hören. Herzliche Grüße, Ihre Marie Feldmann. »Das hört sich ja wirklich nett an!«, sagte sie überrascht und sah auf die Uhr. »Weißt du was, da fahre ich jetzt gleich hin und sehe mir den Laden und diese Marie mal an. Könnte ja die Lösung unseres Personalproblems sein. Und vielleicht kann sie ja schon ab Januar, wenn Kathi im Hunde-Mutterschaftsurlaub ist.«
»Wo ist Katia eigentlich?«, wollte Christian wissen.
»Vorhin rief ihr Mäxchen an und wollte uns zum Essen ausführen, aber auf die Austern-Champagner-Bar hatte ich keine Lust, und außerdem wollte ich auch nicht fünftes Rad am Wagen spielen. Aber sie wollte anschließend noch mal hier vorbeischauen.« Antonella zog sich ihren Mantel wieder an. »Ich komme dann heute nicht mehr her. Will mit Sternchen Plätzchen backen. Tschüs!« Sie packte ihre Tüten und verschwand.
»Ich kann wirklich nicht mehr Champagner trinken!«, protestierte Katia. Sie saß mit Max noch in diesem Edel-Imbiss. »Ich muss noch arbeiten, und da kann ich nicht völlig beschwipst auftauchen.«
»Musst du wirklich zur Arbeit? Ich hatte gehofft, dass wir uns einen netten Nachmittag machen könnten. Vielleicht noch ein bisschen Bummeln auf der Goethestraße. Ich muss mich doch inspirieren lassen, was ich dir zu Weihnachten schenken könnte. Und anschließend könnten wir es uns bei mir zuhause gemütlich machen. Ich könnte den Kamin anheizen und …« Er sah sie mit einem verführerischen Lächeln an.
»Das ist wirklich lieb von dir, aber ich muss wirklich noch einiges erledigen, und außerdem wartet Olga auf mich. Aber du könntest doch heute Abend zu mir kommen. Ich habe auch einen Kamin, und mit deiner Hilfe kriegen wir ihn bestimmt auch zum Brennen.«
»Du meinst das wirklich ernst?« Seine Lippen waren ganz schmal geworden.
»Was meine ich ernst? Dass ich arbeiten und mich um Olga kümmern muss? Natürlich meine ich das ernst. Meine Kollegen und mein Hund verlassen sich auf mich!«
»Aber das ist doch albern. So wenig, wie du in dieser Klitsche vermutlich im Monat verdienst, da kannst du ja wohl ruhig mal ein paar Stunden blaumachen. Und auf das Tier kann doch deine Freundin aufpassen, das tut sie doch sonst auch immer. Ich habe heute frei, und da solltest du dir auch Zeit nehmen!«
Katia merkte, wie Ärger in ihr aufwallte. »Weißt du, Max, das habe ich alles schon mal erlebt. Immer verfügbar für einen Mann zu sein, zu hüpfen, wenn er sagt: ›Spring!‹, meine Bedürfnisse seinen unterzuordnen, ihn wichtiger zu nehmen als mich selbst. Das brauche ich wirklich nicht noch mal in meinem Leben! Und auch, wenn dir meine Arbeit irrelevant erscheint, mir ist sie wichtig, und deshalb werde ich jetzt dorthin gehen!« Sie stand auf und griff sich ihren Mantel. Aus ihrer Handtasche zog sie einen Fünfzigeuroschein heraus. »Ich hoffe, das reicht für meinen Anteil an den Austern und dem Champagner!« Damit rauschte sie hinaus und ließ einen reichlich irritierten Max zurück. So etwas hatte er schon sehr lange nicht mehr erlebt. Wenn überhaupt jemals …
»Ist alles in Ordnung?«, fragte Jenny am späteren Nachmittag, als wiederholt laute Seufzer von Katias Arbeitsplatz zu hören waren.
»Ja, danke«, knurrte sie. »Ich weiß nur nicht, wer der größere Idiot ist. Er oder ich?«
»Mhmm«, sagte Jenny, verkniff sich aber eine aussagekräftigere Antwort.
Im nächsten Augenblick klopfte es an der Tür, und ein Blumenbote stand im Raum: »Ich suche eine Frau Kolidis!«
»Das bin ich!« Katia nahm eine einzelne langstielige weiße Rose entgegen, an der eine Karte befestigt war. Sie las die Worte: »Du hast Recht, ich bin ein Trottel! Max«. »Allerdings!«, murmelte sie mit einem leichten Lächeln im Gesicht. Kaum hatte sie die Blume in eine Vase gesteckt und auf ihren Tisch gestellt, läutete ihr
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