Muenchen Blues
vor Jahren erkennungsdienstlich behandelt worden …
– … sodass wir unschwer Ihre Fingerabdrücke in Bärnbichls Laden identifizieren konnten.
– Unschwer, unterstrich Müller nochmals. Ruckzuck.
– Womit Sie natürlich automatisch verdächtig sind …
Maier besah seine Fingernägel.
– … am Tode von Bärnbichl mitgewirkt zu haben.
Jetzt fuhr Julius hoch.
– Was, Bärnbichl ist tot? Ja, warum denn das?
– Den Nagel auf den Kopf getroffen, sagte Müller.
– Warum denn das, Herr Gossec?, fragte Maier.
Ich atmete pfeifend aus. Ein Gewicht war zu stemmen.
– Okay, Julius lassen wir außen vor. Das mit dem Alibi vergessen wir ganz schnell wieder. Und wenn Sie etwas von mir wissen möchten, bitte schön, ich stehe zu Ihrer Verfügung.
Maier und Müller sahen sich fragend an. Müller nickte, also antwortete Maier.
– Dann mal los! Aber vorher müssten wir uns hier noch ein wenig umsehen. Geht das klar ohne Schein?
Ich nickte. Nach Lage der Dinge konnte das nur meiner Entlastung dienlich sein. Ich ließ sie gewähren, und wieder filzten sie meine ganze Wohnung so gründlich wie Kammerjäger. Ich hatte mich solange in meinen Sessel gesetzt. Julius blieb stocksteif wie ein Ölgötze stehen.
– Julius, du hältst hier die Stellung. Auch mit dem Laden und so. Kann ich mich darauf verlassen?
Julius kämpfte mit den Tränen. Schon hielt er mich für schuldig.
– Alles klar, Gossec. Ist doch logisch.
15
Das Präsidium in der Ettstraße kannte ich inzwischen ziemlich gut. Ich hatte schon einige Zeit dort drinnen verbracht. Aber die beiden machten keinerlei Anstalten, diese Richtung einzuschlagen. Statt nach rechts, bogen sie am Lenbachplatz nach links ab. Mir wurde mulmig. Womöglich hatte ich mich ohne Gegenwehr an Betrüger ausgeliefert, die vorgaben, Polizisten zu sein. Dann aber fuhren wir am Zirkus Krone vorbei, und mir wurde klar, dass Maier zwo und Müller fünf zum LKA gehörten.
Es ist erstaunlich, wie viele wehrhafte Institutionen sich in der Maxvorstadt nahe des LKA befinden. Gleich gegenüber sind die Finanzämter angesiedelt. Das Gelände des ehemaligen Marsfelds war früher einmal Exerzierplatz und hatte Kasernen Platz geboten. Diese Tradition führte zwanglos zur Ansiedlung der beiden Behörden. Nach dem Kriegsgott Mars sind Straße und Platz heute noch benannt, und man kann davon ausgehen, dass dies auch jedem höheren bayerischen Beamten, für den humanistisches Gymnasium schließlich obligatorisch ist, geläufig bleibt. In der Kantine der Oberfinanzdirektion München, die laut einem ausschließlich unter Staatsbediensteten kursierenden kulinarischen Führer die besten Weißwürste serviert, unterhielt man sich gerne auch mal auf Latein.
Ich hatte einschlägige Erfahrungen, denn in regelmäßigen Abständen bin ich als Büßer zu meinem Sachbearbeiter ins Finanzamt gepilgert, um irgendwelche Aufschübe zu erwirken. Hinterher habe ich mich immer mit einem Abstecher in die Kantine belohnt. Wie konnte sich ein Fremder dort überhaupt Zugang verschaffen? Ganz einfach, man ging hinein, sagte allseits freundlich Grüß Gott! und stellte sich ohne zu murren in die Warteschlange. In jeden Bayern ist das tiefe, landsmannschaftliche Wissen eingesenkt, dass Terroristen und Schwerverbrecher niemals Grüß Gott! sagen würden. Und demkleinkriminellen Rest möchte man nicht unbedingt das Essen streitig machen. Standen dann erst einmal Weißwürste, Brezen und Weißbier vor einem, hatte sich der Unterschied zwischen einem Beamten und einem Trödelhändler ohnehin ins allgemein Menschliche verflüchtigt. Man sprach sich dann nur noch mit »Herr Nachbar« an.
Eine weitere wehrhafte Institution unweit des LKA war das Straf- und Justizzentrum an der Nymphenburger Straße. Wenn sie im LKA einen hatten, konnten sie ihn gleich zu Fuß dorthin verbringen. Beide Gebäude entstammen der erfolgreichen Modellreihe Führerbunker mit extra verstärktem Stahlbeton, wie sie Arnulf Ebenteuer so gern gebaut hatte. Sie werden alles überdauern und auch dann noch stehen, wenn die Maxvorstadt rundherum zu Schutt und Asche zerbröselt ist. Spätere Generationen werden versuchen, an ihnen unsere Zeit zu verstehen. Mit ihrem harten Urteil müssen wir uns heute schon abfinden.
Oben in Müllers modernem Büro, wo man über Schießschartenfenster auf den Marsplatz schauen konnte, wurde es ziemlich ungemütlich. Die beiden hatten ihre Freundschaftlichkeit abgelegt und nahmen mich in die Mangel. Müller argumentierte wie
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