München Manhattan #1
… Robert starrt sie an. Er greift sich in die Haare und ringt nach Worten.
„Ich habe nur meine alte Cordhose gesucht. Nachdem ich sie im Schrank nicht finden konnte, habe ich in der Abstellkammer hinter dem Schrank nachgesehen. Und dabei habe ich das hier alles gefunden. Susanna! Was ist das? Was sollen diese Tüten? Sind das deine? Wann hast du das denn alles gekauft? Wie hast du das bezahlt? Nein, anders gefragt: Wer hat das bezahlt?“
Susanna blickt betreten auf den Teppich des Schlafzimmers. Sie kann Robert nicht in die Augen sehen.
Die Tüten. Das wollte ich ihm doch die ganze Zeit schon sagen. Dass er es selbst rausfindet, das wollte ich bestimmt nicht. Er schaut nie in die Kammer hinter dem Schrank. Meine Güte, sind das viele Tüten. Was habe ich denn bei Maendler gekauft? Bei den anderen weiß ich in etwa was drin ist.
Der cremefarbene Mantel von Dries van Noten und der Seiden-Trenchcoat von Halston . Aber sie waren einfach zu schön gewesen. Da konnte man doch nicht vorbeilaufen? Und ein paar Louboutins kann man doch haben? Dort ein paar Jimmy Choos. Kristin hat davon sicher fünf Paar. Also warum soll ich nicht wenigstens dieses eine Paar besitzen? Diese High h eels sehen toll aus zu engen Jeans. Genau – da hinten in der OFF&CO Tüte sind die True Religion Jeans. Noch diese elendigen fünf Kilo runter und ich kann den Look tragen.
Und das ist noch lange nicht alles was sich in diesen Tüten versteckt, aber das weiß Robert jetzt wohl auch. Der Anblick solch wunderschöner Dinge heitert Susanna normalerweise auf. Aber jetzt fühlt sie sich nur miserabel.
Robert wendet sich von seiner Frau ab, aber erst nachdem Susanna die tiefe Verletzung in seinem Gesichtsausdruck gesehen hat.
„Oh Gott, Robert! Ich wollte dir das sagen. Aber dann hast du mir das mit dem Hedgefond erzählt und da habe ich mich einfach nicht mehr getraut“, sagt sie kleinlaut.
„Du hast dich nicht getraut mir was zu sagen, Susanna? Dass du für Tausende von Euros in den teuersten Geschäften Münchens eingekauft hast? Wir sind pleite, Susanna! Hast du das verstanden? PLEITE! Wir haben nur noch das Haus und das gehört jetzt mehr denn je der Bank! Kapierst du das? Weißt du, was das heißt?“
Robert lässt sich auf das Bett sinken. Er greift sich wieder verzweifelt durch seine Haare.
„Susanna. Ist das denn überhaupt schon alles bezahlt? Oder kommen die Abrechnungen erst noch?“
„Es ist schon fast alles bezahlt.“ Susanna kann ihre Antwort nur flüstern.
Robert springt mit einem Satz vom Bett auf. „Was heißt fast, Susanna? Wie viel müssen wir davon noch bezahlen? Wie ist der Kontostand von unserem Haushaltskonto?“
Jetzt schreit er aus vollem Hals. So kennt sie ihren Mann nicht. Die Sehnen an seinem Hals sehen so aus, als würden sie jeden Moment reißen. Er sieht aus wie ein Mann, der gleich seine Faust durch eine Tür rammt.
„Robert, jetzt schrei doch nicht so! Die Kinder!“ Susanna greift nach seinem Arm, um ihn zu beschwichtigen.
„Fass mich nicht an, Susanna. Fass mich einfach nicht an! Ich kann dich kaum ansehen, so wütend bin ich! Das ist ja wohl das egoistischste Verhalten, das ich je von dir erlebt habe!“
„Ich? Egoistisch? Jetzt pass aber mal auf was du sagst oder …“
„Oder was, Susanna? Wenn ich nicht nett und artig bin, dann was? Dann gehst du in die Stadt shoppen und ruinierst unsere Familie?“
Robert geht an ihr vorbei und stellt sich an das Schlafzimmerfenster. Er atmet tief und schwer. Er ringt um seine Fassung.
„Ich? Ich ruiniere diese Familie? Wer hat denn die Hypothek auf das Haus erhöht? Wer hat sich denn die Ausbildungsversicherungen der Kinder ausbezahlen lassen und sich dann verspekuliert? Nicht ich, mein Lieber. Das warst du!“
Allmählich schlägt ihr anfänglicher Schock über Roberts Fund in Wut um. „Für dich gibt es nur schwarz und weiß. Du hast Recht und ich habe Unrecht. Das war’s jetzt, nicht wahr? Für dich bin ich jetzt die Böse! Aber so einfach ist es nicht. Kannst du dir denn nicht vorstellen warum ich diese ganzen schönen Dinge gekauft habe?“ Susanna merkt wie sich ihre Augen mit Tränen füllen.
„Ach, jetzt bin ich schuld, dass du dich aufführst wie eine Millionen-Erbin und die Stadt leer kaufst? Ich habe mein Bestes gegeben, Susanna. Tut mir leid, dass es nicht zu einer Villa gereicht hat. Da hast du dir den falschen Mann geangelt! Ich bin nicht dein Bruder, ich habe nicht sein Gehalt.“
Jetzt laufen Susanna vor Wut und Aufregung
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