München Manhattan #1
Glas und prostet ihr lächelnd zu.
„Auf einen schönen, inspirierenden Abend.“
Dabei schaut er ihr wieder direkt in die Augen. Und sie hält dem Blick stand …
***
SCHLECHTES GEWISSEN?
FLUG DALLAS – NEW YORK. FREITAG 12 UHR
Kristin, Kristin, Kristin. Was hast du da gemacht? Kontrolliert wie du bist. Frau Selbstdisziplin in Person. Wie konnte das nur passieren?
Immer und immer wieder kreist diese Frage in ihrem Kopf hin und her. Jedesmal , wenn sie erneut darüber nachdenkt, muss sie lächeln. Wie unangebracht. Und dennoch – sie kann nicht anders.
Die Gedanken an die letzten zwei Tage: Völlig bizarr, so gar nicht sie und dennoch fühlt sie sich wie … Ja, wie? Aufgedreht, nein eher überdreht. Ja, genau das ist es. Als ob sie zu viel Kaffee getrunken hätte.
Eigentlich sollte sie sich schlecht fühlen. Oder zumindest sollte sie ein wirklich schlechtes Gewissen haben. Aber so sehr sie auch in sich geht, nein, dieses Gefühl will sich absolut nicht bei ihr einstellen. Hat sie jetzt einen totalen Knall?
„Kristin, das was du getan hast, das tut man einfach nicht!“, hört sie ihre Mutter schon sagen. Und bei dem Gedanken muss sie fast laut loslachen. Sie kann sich gerade noch beherrschen.
Immerhin ist sie nicht allein. Sie sitzt hier eingepfercht unter fremden Menschen in einem Flugzeug. Auf dem Weg zurück nach New York. Heute Abend ist Elisas große Ballettaufführung. Das Ereignis für ihre Kleine. Sie ist selbst schon ganz aufgeregt.
Hoffentlich ist Elisa nicht zu nervös. Vielleicht konnte sie gestern vor Aufregung gar nicht einschlafen? Ob Peter der kleinen angehenden Ballerina das Lampenfieber genommen hat? Sie weiß es nicht.
Was ist sie nur für eine Mutter! Gestern hat sie einmal ganz kurz mit Peter gesprochen, aber eigentlich nur um ihm zu sagen, dass sie erst am Freitag zurück sein wird. Mit Elisa hat sie überhaupt nicht gesprochen, sie Rabenmutter. Sie war in den letzten zwei Tagen so mit sich beschäftigt gewesen, dass sie darüber ihr Kind und die Ballettaufführung vergessen hat! Schlechtes Gewissen? Ja. Jetzt ist es da.
Aber ihr Kind war ja nicht allein. Peter war ja bei ihr. Der wird das schon alles hinbekommen haben. Peter! Ob er ihr etwas anmerken wird? Er nimmt sie doch sowieso nicht ernst. Er schläft mit einer anderen Frau, mailt hinter ihrem Rücken mit ihrer Freundin und glaubt, dass sie sich volle Aschenbecher und Post- it Zettel mit Nachrichten an ihn nur einbildet.
Wird er merken, dass mit ihr etwas anders ist? Wird er merken, dass sie mit einem anderen Mann im Bett gewesen ist?
Und da ist sie wieder bei der Ausgangsfrage. Wie konnte das überhaupt passieren? Sie hätte sich nie vorstellen können, einfach so mit einem anderen Mann zu schlafen. Und doch, sie hatte es getan. Kristin lehnt sich in ihrem Sitz zurück und schließt die Augen.
Er hatte ihr das Champagnerglas gereicht. Sie hatten sich zum Essen in sein pompöses Esszimmer begeben. Sie hatten geflirtet. Am Anfang war es nur Spaß gewesen. Sie hatten Wein getrunken und Steaks gegessen. Er hatte von seiner Frau erzählt. Die ihn verlassen hatte, weil sie sich in Texas auf dieser Ranch furchtbar gelangweilt hatte. Als verwöhnte reiche New Yorkerin war sie mit der Einöde in Texas nicht klargekommen.
Steve hatte auch nicht so gewirkt, als ob er dieser Frau wirklich nachtrauern würde. Er hatte gesagt, es sei eine Beziehung gewesen, die zwar gesellschaftlich gepasst hatte, dass sie aber emotional nie wirklich verbunden gewesen seien. Also eher die Zweckheirat. Geld heiratet Geld, und wenn es nicht klappt, gehen beide wieder ihre Wege. Kinder gibt es keine. Ende der Geschichte.
Kristin hatte das gar nicht verstehen können. Wie man nur wegen Geld und geschäftlicher Beziehungen überhaupt heiraten kann! Ohne Liebe kann man doch so einen Schritt niemals wagen.
Auf einmal hatte sie von sich erzählt. Von ihrer Ehe, die einmal die große Liebe gewesen war und nun – ja, das hatte sie auch alles erzählt. Dass ihr Mann sie nicht ernst nimmt, sie nur als verwöhnte kaufsüchtige Ehefrau sieht. Dass er sie belügt, betrügt, sogar mit ihrer Freundin hinter ihrem Rücken mailt.
Und Steve? Der hatte sie nur ungläubig angesehen, als sie sich selbst als Designer-Dummchen dargestellt hatte. Irgendwann hatte er ihre Hand genommen und ihr tief in die Augen gesehen. Und dann hatte er sie endgültig verzaubert.
Wie man so eine Frau nicht ernst nehmen kann? Er hatte ihr gesagt, dass er ihren Mann nicht
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