Mürrische Monster
appetitanregend erwiesen. Wie San Francisco brachte auch Seattle noch die Vielfalt und Spontanität hervor, an der sich der Dämonenfresser so gern labte.
Er schlängelte sich zu dem Bus hinüber, richtete sich neben der abgeschlossenen Falttür auf und stieß eine Klaue durch das breite Seitenfenster. Glasscherben prasselten auf seinen harten Panzer herab, während er im Innern des Wohnwagens nach dem Türriegel tastete. Die Tür sprang auf, und Sekunden später war er im Bus und glitt eilig durch den Flur.
Die Geschöpfe flohen vor ihm, die bunten lebendigen Schmierereien mit ihren lauten hellen Klängen, alle wichen sie ins Wohnzimmer zurück, um sich in Sicherheit zu bringen. Doch das spielte keine Rolle. Der Dämonenfresser huschte hinterher und platzte in den Raum, reckte den spitzen, strohhalmförmigen Schnabel vor wie ein riesiger Moskito, stach ihn in die zerlaufenden Farben und schlürfte sie auf wie verschütteten Fruchtjoghurt. Die Geschöpfe schrien im Todeskampf, aber selbst ihre Klänge konnten ihm nicht entkommen. Der Dämonenfresser schlang auch sie hinunter.
Er schlemmte nach Herzenslust. Das Mädchen war nicht da, konnte ihn nicht aufhalten. Aber die Kleine hatte sich als äußerst nützlich erwiesen. Denn der Geruch vieler Dämonen hatte an ihr gehaftet, und der Duft hatte ihn hergelockt wie einen Fuchs in den Hühnerstall.
Später am Abend stieg Sandy eifrigen Schrittes auf Nates Veranda. Sie hatte drei verschiedene Tageszeitungen dabei; den Laptop hatte sie sicherheitshalber zu Hause gelassen. Die Tür ging auf und ließ sie hinein. Sie marschierte geradewegs zum Arbeitszimmer, wo Richie versuchte, Pernikus vom Kronleuchter herunterzulocken, von dem aus der kleine Hauskobold Nichtsahnenden, die unter ihm hindurchgingen, auf den Kopf spuckte.
»Wo ist Nate?«, fragte Sandy.
»Spazieren gegangen«, sagte Richie.
»Spazieren gegangen?« Sandy rümpfte die Nase. »Wo denn?«
»Keine Ahnung.« Richie zuckte mit den Schultern. »Ich bin doch nich seine Mutter.«
Als Nate wenig später nach Hause kam, hatte Sandy ihre Zeitungen auf dem Couchtisch und auf dem Boden ausgebreitet.
»Wo warst du?«, platzte es aus ihr heraus.
»Spazieren.«
»Wo?«
»Bist du vielleicht meine Mutter?«, konterte Nate, während ihm eine Ladung Speichel auf den Kopf platschte.
Richie kicherte, und Sandy schleuderte die Seattle Times auf den Tisch. Auf der Titelseite prangte ein Foto des Polizisten, mit dem sie letzte Nacht gesprochen hatten; der Mann posierte vor dem blanken Hinterteil des Fremont Trolls wie ein siegreicher Boxer vor einem zu Boden gegangenen Gegner.
»Eigentlich hätten wir auf die Titelseite gehört«, beschwerte sich Richie. » Wir haben den Troll zurückgelockt. Und die zehntausend Dollar hätten wir auch bekommen müssen.«
»Ein Hüter lenkt keine Aufmerksamkeit auf die Dämonen, die er beschützt«, grummelte Nate. »Alle Welt redet jetzt über den Troll, der plötzlich mit dem Kopf im Boden steckt.«
»Ja, man nennt ihn jetzt den ›Fremont-Hintern‹«, lachte Richie. »Ich wette, dieser komische Reporter würde zu gern eine Geschichte über uns schreiben.«
»Wir sind kein Gegenstand für die Zeitung.«
»Ich habe uns eine Pizza bestellt«, unterbrach Sandy.
Richie stieß begeistert die Faust in die Luft. »Ja!«
»Eine vegetarische.«
»Neiiiin! Erst wird man heißgemacht und dann so was. Als bekäme man einen Kuss versprochen, und dann küsst einen die hässliche Schwester.«
Nate blinzelte nervös, als die Rede aufs Küssen kam.
»Ich dachte nur, wir sollten etwas essen, während wir unsere Strategie besprechen«, sagte Sandy.
»Ich kann mich nicht erinnern, eine Strategiebesprechung einberufen zu haben«, entgegnete Nate.
»Du hast doch selbst gesagt, dass Zunder und Kail noch immer frei herumlaufen«, widersprach Sandy. «Woher wusstest du überhaupt, dass der Troll wieder in die Grube zurücksteigen würde?«
»Keine Ahnung. Mir ist nur eingefallen, irgendwo gelesen zu haben, dass Trolle im Sonnenlicht erstarren. Kam mir wie eine gute Idee vor.«
»Wir haben unser Leben aufs Spiel gesetzt. Ich finde, wir sollten unsere Taktik nach etwas Logischerem ausrichten als nach vagen Ideen.«
»Hier geht es nicht um unsere Taktik«, sagte Nate. »Es ist allein meine Sache. Wenn es euch beiden nicht passt, wie ich die Dinge anpacke, dann braucht ihr mir nicht zu helfen. Und Richie, wenn du ein Hüter werden möchtest, dann musst du eines begreifen: Bei dieser Aufgabe gibt
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