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Muetter ohne Liebe

Muetter ohne Liebe

Titel: Muetter ohne Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaby Gschwend
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sich immer erträumte, aber selbst nicht erreichte. (Zit. n. Wardetzki 2006, S. 114)
    Meine Mutter machte immer viel Aufhebens von meinen Leistungen, wirklich zu viel. Es war, als ob sie versuchte, osmotisch durch mich zu leben. (Ebd., S. 191)
    4.3  Auswirkungen
    Von Seiten der Kinder besteht eine hohe Bereitschaft und eine große Anpassungsfähigkeit, die klar geäußerten oder unbewusst spürbaren Erwartungen und «Aufträge» der Mutter zu erfüllen und die von ihr gewünschte Rolle zu übernehmen. Dafür bezahlen sie aber einen hohen Preis in ihrer Persönlichkeitsentwicklung. In Prinzen- und Prinzessinnengewänder gehüllt, aber ohne einen lebendigen Kontakt zu sich selbst leben sie in der ständigen Furcht, ohne ihre prächtigen Hüllen wertlos und nichtig zu sein. Sie wissen auch nicht, ob sie ihren eigenen Wahrnehmungen und Gefühlen trauen dürfen, noch nicht einmal, was eigentlich ihr «Eigenes» ist. Und sie kämpfen mit sich selber und auch in ihren Beziehungen, einen beständigen Kampf zwischen Abhängigkeit und Autonomie.
    4.3.1  Selbstentfremdung und Selbstverlassenheit
    Indem die Kinder ein Selbst aufbauen müssen, das ihnen eigentlich nicht entspricht, zahlen sie den Preis der Selbstentfremdung und der Selbstverlassenheit. Sie verlassen sozusagen ihr eigenes Selbst, um in eine Rolle zu schlüpfen. Die Anpassung an die mütterlichen Bedürfnisse und Interpretationen führt zur Entwicklung einer «Als-ob-Persönlichkeit», die das Kind nach außen zeigt und mit der es sich schließlich auch identifiziert. In ihrem bekannten Buch über «Das Drama des begabten Kindes» bezeichnet Psychoanalytikerin Alice Miller diese übergestülpte Persönlichkeit des Kindes als «falsches Selbst». Auch in den angeführten Zitaten bezeichnen sich die Kinder häufig als «Puppe» oder als «Marionette» ihrer Mütter oder sprechen von einem «Fassadenleben». Das Kind passt sich an, um sich das Wohlwollen und die Zuwendung der Mutter zu erhalten, empfindet aber seine Selbstverlassenheit und den «geborgten» Wert. Die Entfremdung von seinem eigenen Wesen führt zu einem Erleben von Unlebendigkeit und Leere, von Unsicherheit und Minderwertigkeit, was aber mit Hilfe des falschen Selbsterlebens, das zu Lob, Anerkennung und Bewunderung führt, immer wieder überdeckt werden kann. So bewegen sich die Kinder in ihrem Selbsterleben, wie häufig auch ihre Mütter, beständig in einem Spannungsfeld zwischen Minderwertigkeit, Scham und Selbstabwertung einerseits und Grandiosität andererseits. Sie sind aber ohne Kontakt zu ihrem «wahren Selbst» mit seinen echten Gefühlen und Bedürfnissen, mit seinen abgespaltenen Wahrnehmungen, mit seinen unterdrückten Gefühlen von Kränkung, Wut und Verlassenheit.
    4.3.2  Wahrnehmungskonfusion und Gefühlsentfremdung
    Das Kind einer emotional ausbeutenden Mutter lebt in einer «doppelten Wirklichkeit», in der seine eigene Wahrnehmung der Interpretation der Mutter zuwiderläuft. Dabei weiß es nicht, ob es seinen eigenen Wahrnehmungen und Bedürfnissen trauen kann oder nicht, ob sie berechtigt sind oder nicht. Sind zum Beispiel seine Wünsche nach Abgrenzung und Eigenständigkeit angemessen? Sind die Erwartungen der Mutter nicht doch höherwertig? Muss es nicht der Mutter glauben, die darauf besteht, dass sie (besser) weiß, was für das Kind gut ist, der Mutter, die alles «aus Liebe» tut? Oder darf es seiner eigenen Wahrnehmung trauen, die ihm sagt, dass sie nur ihre eigenen Ziele verfolgt und es für ihre Zwecke benutzt wird? Darf es verträumt und sensibel sein, auch wenn die Mutter lieber ein ehrgeizigeres, furchtloseres Kind hätte? Liebt die Mutter es noch, wenn es anders ist, als sie es gerne hätte? Und wenn nicht – ist es dann nicht seine Schuld? Unter der Last und Konfusion dieses Erlebens kommt es zu schweren seelischen Konflikten, die Schuldgefühle erzeugen und das Selbstgefühl schwächen.
    Kinder emotional missbrauchender Mütter dürfen bestimmte Gefühle nicht spüren und zulassen und werden so ihrer eigenen, authentischen Gefühlswelt entfremdet. Sie wissen genau, welches Verhalten, welche Gefühle «gefragt» und erlaubt sind, um Zuwendung und Bestätigung zu erfahren. Sie lernen, die anderen zu verbergen und sie schließlich auch gar nicht mehr zu spüren. Wer seine eigenen Gefühle nicht zum Ausdruck bringen darf, empfindet sie schließlich auch als nicht mehr zu sich gehörig, als «unwirklich». Vor allem Gefühle und Äußerungen, die Distanz

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