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Muetter ohne Liebe

Muetter ohne Liebe

Titel: Muetter ohne Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaby Gschwend
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Ermutigung und Unterstützung gebraucht hätte, um gesund zu werden. Dennoch opferte sie lieber deren Gesundheit und die Beziehung zu ihr, als den Herrschaft sanspruch über sie aufzugeben. Auf dieses Phänomen trifft man häufig, nicht nur in der therapeutischen Praxis, ungeachtet dessen, was man der Mutterliebe zuschreibt.
    Es gibt aber auch Mütter, die unter dem Druck der Umstände den Mut zu Einsicht und Veränderung aufbringen. Frau S. kam via Hausarzt wegen einer schweren Depression zu mir in die Praxis. Sie war Ende 30 und hatte ebenfalls eine «äußerst intelligente und schulisch erfolgreiche» 16-jährige Tochter, die sie dazu noch als «sehr hübsch», «bei allen beliebt», «äußerst musikalisch» und «immer fröhlich und ausgeglichen» schilderte. Sie und die Tochter hätten seit jeher eine «ausgesprochen enge Verbindung». Lotta, die Tochter, hatte nun «schon lange» den Wunsch, ein Schuljahr im entfernten Ausland zu verbringen und ihr Mann habe das auch tatkräftig unterstützt. Nun war die Tochter also wirklich abgereist, sechs Wochen schon, und Frau S., die vorher «niemals krank» und «eine fröhliche, ausgeglichene Persönlichkeit» gewesen sei, wurde depressiv. Sie fühle sich «wie gelähmt» und innerlich leer. Gleichzeitig sei sie aber immer unruhig, könne kaum noch schlafen und seit Lotta fort sei, leide sie auch an Herzbeschwerden. Sie habe an nichts mehr Interesse und «wie zu leben aufgehört», sie sei eben eine ausgesprochene «Familienfrau». Als sie damals mit Lotta schwanger gewesen sei, habe sie sofort ihr Studium aufgegeben und sich nur noch der Familie gewidmet. Sie habe das auch nie bereut und ihre Tochter sei ihr «ein und alles».
    Offensichtlich ging es hier um mehr als ein normales Vermissen der abwesenden Tochter. Frau S. brauchte ihre Tochter, deren Präsenz, Erfolge und Fröhlichkeit buchstäblich, um «leben zu können». Sie war auf sie angewiesen, um die Leere ihres eigenen Lebens zu füllen und um stellvertretend durch die Tochter zu leben. Diese entzog sich mit ihrer «Flucht ins Ausland» diesen Funktionen und die Mutter fiel entsprechend in ein tiefes Loch der Leere und Sinnlosigkeit und wurde krank. Aber sie hatte, das war prognostisch günstig, die Tochter immerhin gehen lassen. Mit der Zeit gelang es Frau S., sich mit der tiefen Kränkung angesichts Lottas Abnabelung auseinanderzusetzen und sie zu überwinden. Sie brachte den Mut auf, sich mit der Realität ihrer eigenen Lebenssituation zu konfrontieren und begann, sich mit der Leere, der Unzufriedenheit, der Bitterkeit und ihren Minderwertigkeitsgefühlen bewusst auseinander zu setzen. Mit der Zeit erkannte sie, dass Lotta «stellvertretend» ihre Interessen und Erfolge verwirklichte und formulierte schließlich selbst: «Ich brauchte es, sie [Lotta] überzubewerten, weil es per Assoziation meinen eigenen Wert erhöhte.» Sie nahm Delegationen an ihre Tochter zurück und wendete sich ihrer eigenen Identität zu, sie knüpfte an «abgerissene Fäden» in ihrer eigenen Entwicklung wieder an, an Bedürfnisse, an Defizite. Sie begann, selber wieder Musik zu machen und schließlich nahm sie zu aller Überraschung ihr abgebrochenes Studium wieder auf. Das alles war kein Spazierweg für Frau S., aber die Positivbilanz der harten und oft schmerzhaft en Arbeit an sich selbst ließ sich sehen: keine Depression mehr, eine (beidseitig) als deutlich positiv empfundene Veränderung in der Beziehung zur Tochter, als diese wieder zurück war. Eine Beziehung, die mehr wirkliche Nähe, aber jeweils auch mehr Eigenständigkeit ermöglichte. Das Gefühl, in engem, wohltuenden Kontakt zu sich selbst zu stehen und die Freude erleben zu können, die mit der Verwirklichung des eigenen Selbst verbunden ist.

5   Die aktiv Gewalt ausübende Mutter
    Guten Tag,
oft und wiederholt schlägt meine Frau meinen Sohn. Heute waren es über siebzig Schläge, weil er seine Bromhexintabletten nicht schlucken wollte […] Sie sagt mir immer ich darf mich nicht einmischen, das würde die Erziehung untergraben und vor allem ihre Autorität. Meine Frau ist Ärztin und hat immer recht […] Das Problem ist aber viel schwerer, es vergeht fast kein Tag, an dem unser Sohn nicht von meiner Frau geschlagen wird. Wenn er statt einer eins nur eine zwei nach Hause bringt zum Beispiel. Wenn er nicht schnell genug irgendwelche Anweisungen ausführt. Wenn er das versalzene Essen nicht zu Ende essen will. Nun muss er seine Wäsche selbst waschen, soll allein

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