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MUH!

MUH!

Titel: MUH! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Safier
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angeschossen – oder vielleicht sogar erschossen? – wurde, hatte ich doch keinerlei Vögel bemerkt. Dafür hörte ich jetzt nichts von den Menschen, von den Audoos und von den Knallstäben, die mir zuvor noch in den Ohren gedröhnt hatten. Ich spürte auch nicht die stickige, heiße Luft der großen Stadt, dafür wehte ein leichter Wind um meine Schnauze, genau richtig, um einen zu erfrischen.
    Das Tschirpen der Vögel – es schienen zwei zu sein, die sich gegenseitig verliebt becircten – ging nun über in einen fremdartigen Gesang. Der war um so vieles schöner, als ich es je zuvor von einem Singvogel gehört hatte: «Heaven, I am in heaven, and my heart beats so that I can hardly speak, when I am flying with you, cheek to cheek …»
    Ich öffnete endlich die Augen und erkannte, dass ich auf einer Wiese lag. Das Gras war so grün und wirkte so saftig, als wäre es nicht von dieser Welt. Wenn ich über seine Pracht nicht so erstaunt gewesen wäre, hätte ich sofort hineingebissen. Stattdessen richtete ich mich auf und sah direkt über mir zwei singende bunte Vögel. Sie flogen verliebt umeinander, Wange an Wange, in den wolkenlosen Himmel hinein, dessen strahlendes Blau heller und gleichzeitig schöner leuchtete, als ich es bisher kannte. Als ob es ein anderer, fremder Himmel war. Gab es womöglich zwei Himmel? Oder gar noch mehr? Ach, was wusste ich schon von der großen weiten Welt?
    Ich drehte mich einmal um meine eigene Achse: Die Weide schien sich in alle Richtungen ins Unendliche auszudehnen, ohne dass man einen Bauernhof sah, einen Traktor oder irgendetwas anderes von den Menschen Errichtetes. Das Ganze ließ nur einen Schluss zu: «Das Himmelreich von Naia gibt es wirklich … und ich olle Kuh steh mittendrin!»
    Nein, halt, es ließ noch einen weiteren Schluss zu: «Wenn es das Himmelreich wirklich gibt, dann hätte ich mich im richtigen Leben gar nicht so sehr abmühen müssen. Oder besser gesagt: abmuhen.»
    Während ich noch darüber nachdachte, erkannte ich mit einem Mal gegen das strahlende Licht der Sonne, dass sich mir eine Kuh näherte. Bei Naia, dies war gewiss Naia!
    Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Ach, was sag ich, bis in die Hörner! Wie sollte ich der Gotteskuh nur begegnen? Mich ihr vor die Füße werfen? Oder ihr wegen dem ganzen Quatsch, den man in seinem Leben so aushalten musste, mal richtig die Meinung muhen?
    Das Sonnenlicht blendete mich, ich konnte die näher kommende Naia nicht richtig erkennen. Ich wurde immer aufgeregter: Gleich würde ich auf die Gotteskuh treffen, und wenn ich nicht meine Zunge hütete, würde ich sie sofort gegen mich aufbringen, was sicherlich nicht zu den besten Ideen gehörte, wenn man gerade frisch im Himmelreich eingetroffen war.
    Jetzt war die Kuh nur noch wenige Meter entfernt, und mit jedem Schritt, den sie auf mich zukam, erkannte ich immer deutlicher: Das war gar nicht Naia …? Das war ja … Radieschen?!?
    «Endlich bist du auch aufgewacht …», lachte meine Freundin.
    «Sind wir alle ins Himmelreich gekommen?», fragte ich sie.
    Statt einer Antwort lachte Radieschen nur: «Du bist sooo süß, Lolle!», und schlabberte mich ab. Dies tat mir zwar gut, aber meiner Verwirrung keinen Abbruch.
    «Sind wir oder sind wir nicht im Himmelreich?», insistierte ich und dachte mir, dass Radieschens «Du bist sooo süß, Lolle!» ein Hinweis darauf war, dass ich irgendetwas hier ganz und gar nicht begriff.
    «Wir sind in einem Paradies. Aber wir sind nicht im Himmelreich», antwortete Radieschen. Ich verstand immer noch nichts. Um ehrlich zu sein, ich verstand noch viel weniger als nichts, selbst wenn so etwas rein rechnerisch nicht möglich war.
    «Komm, ich zeig es dir», lächelte Radieschen, ringelte ihren Schwanz in den meinen ein und ging dann mit mir los über das wunderbare Gras, das sich unter den Hufen unfassbar weich anfühlte und wunderbar frisch roch. Diese wundervolle Wiese, so viel wusste ich jedenfalls schon, wollte ich nie wieder verlassen, egal, wo sie sich auch befand.
    Nach einer Weile erkannte ich im hohen saftigen Gras eine Herde liegen. Es handelte sich bei den Tieren unter anderem um Champion, Hilde und Susi, aber eben nicht nur: Hier grasten auch jede Menge andere Kühe, vielleicht fünfzig an der Zahl. Sie wirkten fremdartig, faszinierend, geradezu erhaben. Sie waren auch viel größer und kräftiger als wir und besaßen ein schwarzes Fell, das in der Sonne glänzte. Gegen diese Wesen wirkten wir im Vergleich richtig schmuddelig

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