Mundtot nodrm
am Küchenblock Wasser aus einem Plastikkanister über die schmutzigen Finger goss. »Andy ist ein Sicherheitsrisiko, um es mal so zu sagen Ich hab mich von ihm getrennt.«
Die beiden anderen wussten, was eine solche Formulierung bedeutete. Sie schwiegen und warteten auf eine neue Anweisung ihres Chefs. Doch der trocknete nur seine Hände ab.
»War denn«, wagte Pommes einen Vorstoß, »Jens auch so ein Sicherheitsrisiko?«
Katsche warf das Handtuch in das leere Spülbecken und drehte sich energisch um: »Ihr solltet daraus keine falschen Schlüsse ziehen. Denkt lieber daran, dass es noch ein weiteres Sicherheitsrisiko gibt: Boris, seinen Sohn.«
127
Mit diesem Besucher hatte Häberle nicht gerechnet. Unangemeldet war der Mann mit dem dünnen grauen Haar bis in sein Büro vorgedrungen. Der Chefermittler brauchte ein paar Sekunden, um den Besucher, der sich als Rüdiger Patzold vorstellte, zuordnen zu können. Das Gesicht war ihm zweifelsohne bekannt, doch sein Gehirn fand den richtigen Speicherplatz nicht.
»Regisseur des Musicals ›Barbarossa‹«, ergänzte Patzold schließlich und ließ sich auf dem angebotenen Stuhl nieder. Häberle bat um Nachsicht für sein schlechtes Gedächtnis.
»Ich hab die vergangenen Tage die Aufregung um diesen Nahkampftrainer verfolgt«, kam Patzold gleich zur Sache. »Wissen Sie, Herr Häberle, mir tut der Junge leid. Sie wissen, wen ich meine – den Boris Seifried. Er hat doch einige Telefoninterviews mit Radiosendern gegeben. Das klingt sehr selbstbewusst, aber in Wirklichkeit ist der Junge ganz anders.«
Häberle spürte, dass sich Patzold als Pädagoge offenbar sehr viele Gedanken um Boris gemacht hatte. »Der junge Mann hat persönliche Probleme«, stellte der Chefermittler fest.
»Er ist sehr intelligent und begabt«, erklärte Patzold. »Ein sensibler Typ, ein Künstler – wenn Sie das verstehen können. Und ich mache mir echt Sorgen, dass bei ihm etwas schiefläuft.«
Häberle hatte sich längst ähnliche Gedanken gemacht. Bei Boris kamen ohne Zweifel mehrere ungünstige Faktoren zusammen: Familiäre Verhältnisse, die alles andere als ideal waren, ein dominanter Vater, der ihm die Berufswahl diktiert hatte, und eine Ausbildung, die seine tatsächlichen Fähigkeiten verkümmern ließ. Psychologen würden dies gewiss als idealen Nährboden für eine kriminelle Laufbahn bezeichnen. Trotzdem wandte Häberle ein: »Aber im Moment scheint er sich doch stark für diesen Konarek zu engagieren.«
»Jemand wie Boris sucht Halt, verstehen Sie. Er hat diesen Halt bei uns in der Theatergruppe gefunden, doch ich bin mir sicher, dass er sich dorthin orientiert, wo er sich am stärksten akzeptiert fühlt. Dies führt dann oft dazu, dass sich solche Personen in den Mittelpunkt stellen und mit irgendetwas auf sich aufmerksam machen wollen.« Patzold sprach langsam und betonte nahezu jedes einzelne Wort. »Gefährlich kann es werden, wenn diese Orientierungslosigkeit in eine Richtung abdriftet, die von Extremen geprägt ist.«
Häberle nickte zustimmend. »Und was schlagen Sie aus Sicht eines Pädagogen vor?«
»Wir sollten den jungen Mann mit einem Psychologen zusammenbringen. Jetzt, da er nicht mehr der Dominanz seines Vaters unterliegt, wäre der richtige Zeitpunkt gegeben. Ich befürchte aber, dass Boris noch immer traumatisiert ist.«
Häberle ließ die Worte des Mannes noch kurz auf sich wirken. »Wenn Sie sagen, solche Menschen neigten dazu, auf sich aufmerksam zu machen, – haben Sie solche Tendenzen bei Boris bemerkt?«
Patzold strich sich durchs schüttere Haar. »Sein Nahkampftraining, mit dem er sich bei uns in der Theatergruppe gebrüstet hat, könnte so ein Zeichen dafür sein. Er will nicht nur ein guter Theaterspieler sein, sondern sich mit noch etwas anderem, möglichst etwas Außergewöhnlichem, von anderen abheben. So etwas könnte aber auch dazu führen, dass er etwas völlig Abwegiges tut.«
Häberle wurde hellhörig. »Und auch dafür gibt es Hinweise?«
Patzold holte tief Luft. »Das herauszufinden, ist Ihre Aufgabe, Herr Häberle. Ich wollte Sie nur dafür sensibilisieren, weil ich weiß, dass es bei der Polizei an psychologisch geschulten Fachleuten mangelt.« Nach kurzer Pause fügte Patzold an: »Wir wollen doch alle nicht, dass dem Jungen etwas zustößt.«
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Boris hatte den abendlichen Pflichtpunkt in Hörweite zur A8 beim Donauried noch vor Konarek erreicht. In der Metallbox, die im Wald entlang der Donau unter einem Jägersitz
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