Mundtot nodrm
eingeknickt wie jetzt, wären wir ein gutes Stück weiter.« Er holte erneut tief Luft. Sein ganzes Gesicht war jetzt rot angelaufen.
Joanna Malinowska gefiel Gutweins emotionaler Ausbruch. Solche Momente ließen auf die innerste Überzeugung eines Menschen schließen. »Sehen Sie nicht die Gefahr, dass Bleibach ein Populist ist, der mit den Gefühlen der Menschen spielt, ohne wirkliche Lösungen zu haben?«
»Ach was, Frau Malinowska. Kommen Sie mir doch nicht mit so was daher.« Er schob seine leere Kaffeetasse von sich weg. »Sobald hier jemand etwas gegen die vorherrschende Meinung sagt, wird ihm mit dem Untergang des Abendlandes gedroht. Sagen Sie doch ruhig, was Sie denken! Bleibach ist ein Kommunist, denken Sie. Stimmt’s?« Er wartete keine Antwort ab. »Diese Ängste werden sofort geschürt, sobald jemand aus der bequemen Mitte abweicht, in der sich’s inzwischen doch alle gemütlich gemacht haben. Der eine ein bisschen links von der Mitte, der andere ein bisschen rechts davon. Aber ja nicht weit vom Mittelpunkt entfernt. So sieht’s doch aus, Frau Malinowska. Alle drängen sich um den Fressnapf der Macht.«
»Sie werden verstehen, dass ich diesem Vergleich nicht zustimmen kann«, entgegnete sie kühl.
»Daran hab’ ich zu keiner Sekunde gezweifelt. Und mir ist auch klar …«, er sah ihr tief in die blau-kalten Augen, »… um Bleibach rum sind Kräfte am Werk, die alles daransetzen werden, ihn kaltzustellen.«
Sie verzog ihr Gesicht zu einem überlegenen Lächeln, schwieg aber.
»Und ich befürchte«, fuhr Gutwein fort, »›kaltstellen‹ ist noch harmlos ausgedrückt. Wenn für manche so viel auf dem Spiel steht, wie es derzeit den Anschein hat, werden alle Kräfte mobilisiert.« Keiner der beiden wich dem Blick des anderen aus. Gutwein gab sich kämpferisch: »Alle Kräfte«, wiederholte er energisch, um noch hinzuzufügen, »und alle Waffen.«
21
Im australischen Coober Pedy war es bereits später Abend und die brütende Hitze des Tages hatte sich in den klaren Himmel verflüchtigt. Maximilian Greenman öffnete die Fenster seines Appartements und sog die noch immer laue Luft ein, die ihm aber nach den Tagestemperaturen geradezu erfrischend vorkam. Messerscharf zeichnete sich über der kleinen Stadt der Sternenhimmel ab, der im Vergleich zu europäischen Ballungsgebieten ungewöhnlich klar erschien. Nichts trübte hier die Atmosphäre, und das wenige Streulicht der Straßenlampen ließ der Nacht ihren Zauber. Greenman trank eiskalten Orangensaft und sah zu den Sternen hinauf. Wie oft schon war er in den vergangenen Wochen und Monaten so dagestanden und hatte von dieser Frau geträumt, die all sein Tun und Planen beherrschte. Obwohl sie Tausende Kilometer trennten, spürte er eine nie zuvor gekannte emotionale Bindung. Manchmal, wenn er so dastand und diese Nächte im Outback auf sich wirken ließ, wurde ihm bewusst, dass sie beide nie zur selben Zeit die Sterne sehen konnten. Die Zeitdifferenz war viel zu groß. Und außerdem, das wusste er, präsentierte sich der Sternenhimmel je nach Beobachtungsort von der Erde aus ohnehin ganz unterschiedlich.
Doch jetzt hatte für ihn dies alles seinen Glanz verloren. Ein einziger Anruf, ein paar Worte nur, und nichts mehr war so wie vorher. Er fühlte sich schlapp und erschlagen. Seit sie ihn dringend gebeten hatte, vorläufig keinen Kontakt mehr mit ihr aufzunehmen, kreisten seine Gedanken nur um die Frage, was geschehen sein könnte. Ihre Worte und ihre Stimme hatten sich drängend angehört, ängstlich. Jedenfalls waren sie ihm so in Erinnerung geblieben. Er versuchte, sich ihrer Formulierungen zu entsinnen. Aber er war bei dem kurzen Gespräch viel zu aufgeregt gewesen, um sich Details merken zu können.
In seinem Kopf mischte sich Besorgnis mit der Erinnerung an die vielen traumhaften Stunden, die sie gemeinsam verbracht hatten. Es war ihm, als sei jede einzelne Sekunde davon für immer in sein Gedächtnis eingebrannt.
Gedankenversunken kam er an seinen Schreibtisch zurück, auf dem ein alter Ventilator die warme Luft im Raum in Bewegung hielt und einige lose herumliegende Blätter zum Flattern brachte. Greenman ließ sich in den Bürosessel fallen und begann, einige Briefe zu sichten, die er aus seiner Postbox vor seinem Grundstück geholt hatte. Nichts Bedeutendes, stellte er auf den ersten Blick fest. Irgendwelche großformatigen Werbesendungen und zwei Handwerkerschreiben, die vermutlich Rechnungen enthielten. Greenman war nicht in
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