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Mundtot nodrm

Mundtot nodrm

Titel: Mundtot nodrm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Handwerksbetrieben stehen. Doch die groß gewachsene Blondine wollte auch die Gelegenheit wahrnehmen, die allgemeine politische Situation im Land anzusprechen. Ihr Gesprächspartner, ein gutgekleideter älterer Herr mit grauen Schläfen, hatte ihr in dem Konferenzraum in der obersten Etage eines Geschäftshauses in der Kaufingerstraße einen Kaffee angeboten. Wie erwartet, verlief das Gespräch mit dem Gewerkschaftsfunktionär, der schon vor Jahren in seinen bayerischen Landesverband aufgestiegen war, eher zäh. Es kam selten vor, dass es Joanna nicht gelang, mit ihrem weiblichen Charme das Eis zu brechen. Aber dieser Mann, den sie auf Mitte 60 schätzte, war gleich zu Beginn auf Distanz gegangen und hatte bei allem, was er sagte, unmissverständlich durchblicken lassen, dass es zwischen seinen Ansichten und denen der Arbeitgeber eine erhebliche Diskrepanz gab. Dieser Mann, der sich als Ferdinand Gutwein vorgestellt hatte, verkörperte noch den Typ Gewerkschafter, wie man ihn heute kaum noch fand. Vermutlich, so dachte die Frau, war er zu seinen besten Zeiten mit dem Megaphon in der Hand vor Werkstoren gestanden und hatte Tausende frustrierte Arbeiter auf den Kampf gegen das Kapital eingeschworen. Inzwischen jedoch waren auch bei der Gewerkschaft die Töne leiser und die Kampfbereitschaft ihrer Mitglieder durch Androhung von Repressalien in den Betrieben kleiner geworden.
    »Wissen Sie«, begann der Mann plötzlich das Thema in eine Richtung zu lenken, wie eigentlich sie es hatte tun wollen. »Ich habe ja vollstes Verständnis dafür, dass man in Ihren Kreisen nicht freiwillig ein größeres Stück von der Torte abgeben möchte, die Ihnen von anderen Menschen beschert wird. Aber es werden Zeiten kommen, liebe Frau Malinowska«, er hatte das ›liebe‹ nicht gerade freundlich betont, »es werden Zeiten kommen, ja, es werden Zeiten kommen, die ein Umdenken erzwingen, egal, ob das gewünscht ist oder nicht.«
    Sie sah die Gelegenheit gekommen, auf die sie gewartet hatte. »Ich weiß, auf wen Sie anspielen, Herr Gutwein. Bleibach.« Sie lächelte überlegen und lehnte sich zurück. Ihr Blick fiel durch die grob gewebten Vorhänge hinaus in den trüben Novembertag, wo die Türme der Frauenkirche in den Nebel ragten.
    »Bleibach, ja. Er ist der Anfang. Und er steht für die Unzufriedenheit aller Menschen im Land. Von Füssen bis Flensburg. Das dürfen Sie mir glauben.«
    »Dass Sie das alles gutheißen, ist mir klar. Doch die, die sich um diese Demokratie und die gewachsenen Strukturen sorgen, sehen es deutlich differenzierter.«
    »Mein Gott!«, brauste der Gewerkschafter unerwartet auf und beugte sich mit dem Oberkörper nach vorne, sodass seine Krawatte zwischen ihm und der Tischkante eingeklemmt wurde. »Was sollen wir denn noch differenzierter sehen? Da gibt es nichts differenzierter zu sehen, liebe Frau Malinowska. Viel zu lange haben uns die Politiker in diesem Lande eingeredet, wir müssten alles differenzierter sehen, globaler, vernetzter. Vor allem im Interesse der Wirtschaft und des Wohlstands, den wir nur hätten, wenn sich das arbeitende Volk zurückhält und kuscht, malocht, sich abrackert und mobben lässt.« Seine Stimme war kräftig, vermutlich hat er früher bei den Demos gar kein Megaphon gebraucht, dachte die Frau.
    »Denken Sie an die Krise 2008/2009«, fuhr Gutwein fort, »wer hat sie denn produziert, wer hat sie denn verantwortet? Doch nicht der arme Hund an der Maschine und am Fließband. Aber genau der wurde dafür abgezockt – von einer Regierung, die Ihnen und Ihresgleichen alle Annehmlichkeiten beschert. Alle !« Seine Stimme erfüllte jetzt den Raum. »Denken Sie nur, was vor gerade mal sechs Wochen gelaufen ist, wie schnell die Kanzlerin umgekippt ist, als es um die Verlängerung der Laufzeiten für Kernkraftwerke gegangen ist. Erinnern Sie sich? Kaum hatten die Monopolisten und Großkonzerne gedroht, alle Kernkraftwerke abschalten zu wollen und die Zivilisation damit angeblich ins Bodenlose stürzen zu lassen, da haben sich die Mundwinkel der Kanzlerin noch weiter gesenkt – und schließlich war sie so weichgekocht, dass sie felsenfest davon überzeugt war, die Kernkraftwerke seien so sicher, dass sie locker noch acht oder zwölf oder noch mehr Jahre am Netz bleiben könnten. Das war ein doppelter Salto rückwärts plus Purzelbaum.« Gutwein holte tief Luft und spürte, wie sein Blutdruck gestiegen war. »Wäre die Kanzlerin auch nur ein einziges Mal so vor den Forderungen der Gewerkschaft

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