Mundtot nodrm
Stimmung, sich jetzt damit zu befassen. Als er die oberflächlich gesichtete Post lustlos in das Sortierkörbchen warf, hielt er inne. Denn da war noch ein kleines Kuvert dazwischen gewesen, das ihm jetzt wegen der hellblauen Farbe ins Auge stach. Er fischte es aus den aufgeschichteten Papieren heraus. Die Adresse war handschriftlich geschrieben worden, die Briefmarke stammte aus Deutschland. Er drehte das Kuvert um, doch es gab keinen Absender.
Greenman fühlte sich mit einem Schlag hellwach. Die Schrift kam ihm bekannt vor. Er schlitzte das Kuvert mit der Schere auf und zog ein hellblaues, zusammengefaltetes Blatt Papier heraus. »Mein lieber Max«, las er und erkannte sofort, dass ihm die Frau geschrieben hatte, die all seine Gefühle beherrschte, »bitte verzeih mir, dass ich dich nicht mehr anrufe. Dies hat nichts damit zu tun, dass sich an meinen tiefen Gefühlen, die ich für dich empfinde, etwas geändert hat. Ganz im Gegenteil. Ich hab dich unendlich lieb und freue mich, dich bald zu sehen. Und dies könnte früher geschehen, als du denkst. Grüß dich, mein lieber Schatz, und mach dir nicht allzu viele unnötige Gedanken. Ich denke an dich, wenn bei mir die Sterne am Himmel stehen und dir die Sonne scheint. Ich liebe dich.«
Auch da kein Name, kein Absender.
Greenmans Herz schlug bis zum Hals. Er las die Zeilen noch einmal. Vor allem ein Satz prägte sich ihm sofort ein: »Und dies könnte früher geschehen, als du denkst.« Diese wenigen Worte erschienen ihm wie ein rettender Anker, an den er sich bei all den ungeklärten Fragen, die ihn seit Kurzem plagten, klammern konnte. Auch wenn er dies alles nicht verstand. Zum einen hatte sie angedeutet, in höchster Gefahr zu sein – und nun stellte sie ein baldiges Wiedersehen in Aussicht. Eine Logik wollte sich ihm daraus nicht erschließen. Noch einmal las er die Zeilen. Sie freute sich also, ihn bald zu sehen. Und dies, so nahm er jeden einzelnen Buchstaben ihrer Worte in sich auf, könne früher geschehen, als er denke. Hoffentlich, so schoss es ihm plötzlich durch den Kopf, hoffentlich meint sie ein Wiedersehen in dieser Welt. Er erschrak über seine Gedanken.
22
Der Aichelberg, an dem sich die A8 Stuttgart-München entlangschlängelte, um die Schwäbische Alb zu erklimmen, war in dichten Nebel gehüllt. Häberle hatte den Namen von Jens Seifried im Telefonbuch gefunden und sich bei dessen Frau Barbara telefonisch angekündigt. Die Adresse, die ihm von seinem Neu-Ulmer Kollegen genannt worden war, führte zu einem kleinen Häuschen, dessen Anbau an eine frühere landwirtschaftliche Nutzung erinnerte.
Barbara Seifried, eine Frau Anfang 40, klein und pummelig, erwiderte seine Begrüßung kühl und führte ihn durch einen schmalen Flur in ein nicht gerade modern eingerichtetes Wohnzimmer. Häberle ließ sich in einen weichen Polstersessel sinken, während Frau Seifried auf der Couch ihm gegenüber Platz nahm.
Der Ermittler entschuldigte sich für die Störung und bat um Verständnis dafür, dass er ein paar Fragen zum Umfeld ihres Mannes stellen müsse. Dieser war, wie Häberle aus der Klinik erfahren hatte, auf dem Weg der Besserung, ohne jedoch etwas zu den nächtlichen Geschehnissen sagen zu können.
Nach anfänglichem Zögern zeigte sich die Frau zunehmend kooperativ. »Jens fährt seit über zehn Jahren«, sagte sie schließlich, »aber so etwas ist ihm noch nie passiert. Noch gar nie! Obwohl er manchmal auf verlassenen Parkplätzen schläft, auch im Ausland, müssen Sie wissen. Sogar in Südfrankreich und Spanien. Nie ist ihm etwas passiert.«
»Ihr Mann ist in Geislingen mit dem Lkw losgefahren. So hat es uns die Spedition Graumann und Hinz berichtet. Und dann hat er am Rasthaus in Leipheim bereits angehalten. Das sind gerade mal geschätzte 50 Kilometer, wenn überhaupt.«
»Na ja, vielleicht hat er pinkeln müssen«, fuhr sie ihm über den Mund. »Oder was denken Sie, warum er dort anhält?«
»Das konnte er wohl meinen Kollegen nicht sagen. Er erinnert sich an gar nichts mehr.« Er spürte ihre Skepsis und fügte deshalb an: »Das kommt bei schweren Schlägen gegen den Kopf sehr häufig vor. Hat nichts zu bedeuten.«
»Ja, ich weiß, das haben mir die Ärzte auch gesagt«, bestätigte Frau Seifried.
»Er ist die Tour nach München und weiter in Richtung Wien öfters gefahren?«
»Nein, das kann man nicht sagen. Seine Richtung ist eher Südfrankreich, Spanien, auch mal Italien.«
»Jetzt hab ich eine Frage, Frau Seifried, die muss
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