Mundtot nodrm
nickte ernst. »Da sind einige Dinge gelaufen, auf die wir uns keinen Reim machen können.«
»Patrick hat’s am Telefon gesagt«, gab sich Wettstein informiert und antwortete so diplomatisch, wie er es in Berlin gewohnt war. »Ist davon auszugehen, dass wir in unserem Bestreben gar nicht allein sind?«
»Ich weiß nur, dass hier ein völlig undurchsichtiges Spiel abläuft«, flüsterte Ollerich. In diesem Moment streifte sein Blick die Eingangstür und traf dort auf eine eben eintretende Person. Schlagartig beschleunigte sich sein Puls. Ein bleischweres Gefühl schien sich seines ganzen Körpers zu bemächtigen. Alles in ihm war wie abgestorben.
»Ist was?«, fragte Moser besorgt, denn die Reaktion seines Freundes war nicht zu übersehen.
Enduro Ollerich war nicht in der Lage, etwas zu sagen. Ihm stockte der Atem.
41
So richtig vermochte Häberle nicht einzuschätzen, ob Steffen Bleibach geschockt und in ängstlicher Starre vor ihm saß oder ob es gespieltes Entsetzen war. Jedenfalls hatte er das Gefühl, einen völlig anderen Bleibach vor sich zu haben als jenen, der gestern Abend im Fernsehen zu sehen gewesen war. Bleibach hatte sein feines Lederjackett aufgeknöpft und schwitzte sichtlich.
Linkohr hatte das bisherige Gespräch als aufmerksamer Zuhörer verfolgt, ohne sich einzuschalten. Nie zuvor war er dienstlich einer so prominenten Persönlichkeit gegenübergesessen. Er spürte eine gewisse Hemmung, diesen Mann, den Millionen verehrten und als Vorbild betrachteten, wie einen Schwerverbrecher in die Zange zu nehmen. Sogar eine gewisse Sympathie empfand er für ihn, weil er ganz ohne anwaltlichen Beistand gekommen war. Dies allein schon mutete Linkohr seltsam an, wusste er doch aus Häberles Erzählungen, wie andere sogenannte Prominente gleich alle juristischen Geschütze auffuhren. Doch Bleibach war gekommen, hatte ihnen die Hände geschüttelt und gleich überzeugend erklärt: »Ich habe nichts zu verbergen, deshalb lassen Sie uns reden.«
Und das taten sie jetzt seit einer dreiviertel Stunde. Bleibach räumte ein, sich Joanna Malinowskas, der Anzeige-Erstatterin, »dunkel zu entsinnen«. Er habe mit ihr in Tübingen studiert, doch da sei – er schwöre es – keinerlei engere Beziehung und schon gar keine Vergewaltigung gewesen. Nach seinem Weggang von Tübingen hätten sie sich nie mehr gesehen und auch keinen Kontakt per Telefon oder E-Mail aufgenommen. Ihm sei zwar in den vergangenen Wochen bei seinen Kundgebungen immer wieder eine Frau aufgefallen. Doch nach 15 Jahren habe er sie nicht mit Joanna Malinowska in Verbindung gebracht. Jetzt allerdings, nachdem der Name plötzlich ins Spiel gebracht werde, sei ihm klar, dass es nur sie gewesen sein könne.
Häberle ließ ihn erzählen und stellte nur ergänzende Fragen. Wenn ein Beschuldigter seine Version verständlich darlegen und chronologisch die Ereignisse schildern konnte, war es dringend geboten, ihn nicht zu unterbrechen. Das hatte Häberle den jungen Kollegen schon viele Male ans Herz gelegt.
»Hat man sie denn schon ausführlich vernommen?«, fragte Bleibach schließlich. »Ich denke, es kann doch nicht jemand nach 15 Jahren behaupten, vergewaltigt worden zu sein, ohne Beweise zu haben.«
Häberle runzelte die Stirn. »Wir werden die Dame danach fragen.«
Bleibach lächelte verlegen. »Und wie stellen Sie sich das vor? Niemand wird doch jahrelang irgendein Beweismittel aufbewahren. Oder denken Sie, dass sie noch das angebliche Messer hat?«
Der Chefermittler zuckte mit den Schultern. »Wer weiß? Es könnte doch sein. Und womöglich ist noch DNA von Ihnen dran.«
Bleibach holte tief Luft. »Dann ließe sich feststellen, ob ich es vor 15 Jahren benützt habe?« Es klang hilflos und ängstlich.
»Vielleicht aber …«, so gab Häberle mit leiser, sonorer Stimme zu bedenken, »… vielleicht gibt’s noch andere Beweismittel.«
»Andere?«
Linkohr bemerkte, dass er den Gesprächspartner verunsichern wollte.
»Es soll doch in der Wohnung stattgefunden haben. Ohne Zeugen«, erklärte Häberle. »Könnte es sein, dass es da eine Videokamera gegeben hat?«
Bleibach schloss die Augen.
43
Iris Eschenbruch, die leicht übergewichtige Dame in Bleibachs Hauptstadtbüro, rückte ihre Hornbrille zurecht und klickte sich hinter einem Berg von Papieren durch die E-Mails. Nach der gestrigen Talkshow hatte eine regelrechte Flut von Zuschriften eingesetzt – bis hin, dass sich die Anfragen nach einem Autogramm von Bleibach nun häuften.
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