Mundtot nodrm
Dienstliches zu verknüpfen, hatte er sich durchgerungen, seinen letztjährigen Resturlaub zu nehmen. Baldachin hatte nur widerwillig zugestimmt, obwohl er ansonsten stets darauf bedacht war, dass keine großen Urlaubsreste anfielen. Aber mit den willkürlichen Entscheidungen und Launen seiner Chefs hatte sich Linkohr längst abgefunden. Er tröstete sich damit, dass dies in der freien Wirtschaft sicher noch viel schlimmer war.
Als er mit dem Aufzug zu Joannas Wohnung im Neu-Ulmer Donau-Center hinauffuhr, fühlte er sich als freier Bürger, der nur zum eigenen Vergnügen unterwegs war. Allerdings nicht ganz, wie ihm die innere Stimme sagte: Du machst das doch nur, weil du dich profilieren willst. Weil dich die Gefahr reizt. Und die Lust.
Joanna stand vor ihm, wie er es in den kühnsten Träumen nicht erwartet hätte: Ihr schwarzes Minikleid aus seidigem Material war raffiniert geschnitten, sodass sich ihre wohlgeformten Brüste deutlich abzeichneten. Ihre schlanken Beine wurden durch die hochhackigen Pumps noch verlängert. »Mike, schön, dass du da bist«, hauchte sie und stolzierte voraus in ihr Wohnzimmer. »Du kennst dich ja schon aus. Setz dich.«
Ihm stockte der Atem. Wie in Trance folgte er ihr und ließ sich auf der Couch nieder, deren feines Leder er schon einmal zu spüren bekommen hatte. In einem Sektkühler lehnte eine Flasche, daneben waren zwei Gläser bereitgestellt.
»Wir haben uns so lange nicht gesehen«, seufzte sie, »dass ich mir gedacht habe, wir machen’s uns heute hier richtig schön gemütlich.« Sie ließ ihr osteuropäisches ›R‹ rollen und lächelte. »Du solltest dir Entspannung gönnen, mein lieber Mike.«
Joanna versuchte vergeblich, die Flasche zu entkorken, weshalb ihr Linkohr dabei half und den Metallverschluss fachgerecht entfernte. »Du hast recht«, sagte er und sah ihr tief in die Augen. »Einfach entspannen und so tun, als trenne uns der Job nicht.« Augenblicke später war der Korken mit einem dezenten ›Plopp‹ aus der Flasche gedreht. Linkohr schenkte die beiden Gläser voll.
»Warum sollte uns der Job trennen?«, fragte sie neckisch und berührte mit ihren nackten Schenkeln seine Jeans. »Es liegt doch an uns, ob uns etwas trennt, oder?«
Er bewunderte ihre helle Haut, die ihn im Kontrast zum schwarzen Kleid geradezu elektrisierte. Es fiel ihm schwer, den Blick davon zu wenden und die Umgebung aufzunehmen – genauso, wie ihn dies Häberle gelehrt hatte. Manchmal waren es Kleinigkeiten in der Einrichtung, die den Charakter des Bewohners verrieten und Rückschlüsse auf die Persönlichkeit zuließen.
»Auf uns«, sagte sie und erhob das Glas. Er stieß mit ihr an.
Joanna trank das halbe Glas leer und stellte es auf den Tisch zurück. Dann lehnte sie sich an Linkohr und legte ihre Beine auf die Couch. »Ich glaube, uns beide hat’s ganz schön erwischt«, sagte sie unvermittelt. »Ich hab all unsere Mails noch mal gelesen.«
Linkohr war derartig zielstrebiges Vorgehen nicht gewohnt. Seine bisherigen Freundinnen hatten in ihm meist einen Macho gesehen und sich bald wieder zurückgezogen. Aber diese Frau schien genau zu wissen, was sie wollte. Kein Wunder, dachte Linkohr, sie war schließlich reifer und erfahrener. Und schon wieder meldete sich die vorsichtige Stimme: Vielleicht ist sie auch raffinierter.
»Darf ich dich mal was fragen?«, riss sie ihn aus seinen Gedanken und begann, sich an seinen Hemdknöpfen zu schaffen zu machen.
»Du darfst mich alles fragen«, entgegnete er so selbstsicher, wie er in dieser Situation nur konnte.
»Mal angenommen, ich hätte jetzt Lust auf dich«, flüsterte sie ihm ins Ohr. »Welche Ausrede hättest du, mir dies abzuschlagen?«
Linkohr spürte den Herzschlag bis in den Hals. Was sollte diese Frage? Was erwartete sie von ihm? Und plötzlich schlug etwas in ihm Alarm: Was, wenn sie dir nachher eine Vergewaltigung anhängt, wie sie’s vielleicht mit Bleibach versucht? Wenn’s nun wirklich so weit käme, wie sie wollte – wofür er nicht abgeneigt wäre –, dann gäbe es hinterher genügend DNA-Material, das gegen ihn verwendet werden könnte.
»Sprachlos geworden?«, flüsterte sie ihm ins Ohr und öffnete das zweite Knöpfchen am Hemd. »Sprachlos oder eher erschrocken? Nicht jeder ist schließlich James Bond.« Sie grinste, was ihn noch mehr verwirrte.
»Warum sollte ich mich wie James Bond fühlen?«, fragte er und bemerkte ihren heißen Atem im Gesicht.
»Weil du dich vielleicht einer Agentin ausgeliefert
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