Mundtot nodrm
genannt.«
»Klingt ja ziemlich abenteuerlich, finden Sie nicht auch? Jeder hört was von irgendeinem.«
Sander vermochte nicht nachzuvollziehen, wie ernst Häberle den Hinweis nahm. »Na ja«, meinte er deshalb, »in ein paar Wochen findet dort oben was Großes statt …«
Häberle unterbrach ihn: »Aber dass da oben ein Umbau geplant ist – also eine neue Gaststätte und so –, das ist Ihnen schon geläufig? In der NWZ stand sogar mal was von dem Wiederaufbau der Burg – oder zumindest von einem Turm.«
Sander hatte es in der Göppinger Tageszeitung auch gelesen, dem Projekt jedoch keine Chance eingeräumt. Eine neue Gaststätte ließ sich bauen, auch natürlich ein Aussichtsturm, aber eine komplette Burg sicher nicht. Taten sich doch allein schon die Berliner mit dem Wiederaufbau des Hohenzollernschen Stadtschlosses schwer.
»Wenn Sie tatsächlich meinen, es handle sich um Erkundungsbohrungen für einen Umbau, okay, dann ist das Ihre Sache«, erwiderte Sander leicht enttäuscht.
»Was glauben Sie denn sonst, welcher schrecklichen Geschichte Sie auf der Spur sind?«
Sander überlegte kurz. »Wenn Sie’s nicht wissen, tut’s mir leid. Ihre Kollegen stochern im Mordfall Seifried im Nebel – und Sie tun, als habe das alles nichts mit Bleibach zu tun. Herr Häberle, für wie blauäugig halten Sie mich? Oder um welche Interessen geht’s eigentlich hinter den Kulissen der Polizei?«
»Dazu verweigere ich die Aussage«, antwortete Häberle. Sander war darüber erstaunt. Eine verweigerte Aussage durfte zwar vor Gericht in keine Richtung bewertet werden. Aber in diesem Fall sprach Häberles Verhalten wohl Bände, dachte der Journalist.
94
Die Nächte waren nicht mehr ganz so rau. Mit der längeren Tageshelle machte sich allmählich der Frühling bemerkbar. Noch aber lagen in schattigen Geländeeinschnitten einzelne Schneereste. Als Andreas Ollerich kurz vor Mitternacht seinen Wagen unterhalb der Spielburg abstellte – einer markanten Wunde am Hohenstaufen, die in früheren Zeiten ein Steinbruch gerissen hatte –, zog er den Kragen seiner Jacke hoch und folgte dem asphaltierten Weg, der zu den villenartigen Häuschen hinaufführte, von denen eines Bleibach bewohnte. Welches, wusste er nicht, denn er war nie dort gewesen. Die mondlose, aber sternenklare Nacht bot die besten Voraussetzungen für das, was er zu erledigen hatte. Er brauchte keine Taschenlampe, die ihn ohnehin auf weite Distanz verraten hätte. Die Geländepunkte hoben sich tief schwarz vom dunklen Grau des Hintergrunds ab. Als sich seine Augen an diese Verhältnisse gewöhnt hatten, erkannte er auch den aufwärts führenden Weg, der sich in der Schwärze der Nacht oben am Waldrand verlor.
Auf dem anschließenden Wiesenpfad musste er mit vereisten Stellen rechnen. Einmal nur drehte er sich um, weil er ein Geräusch vernommen hatte. Es schien aber von den Häuschen gekommen zu sein, an deren mit Sträuchern gesäumten Vorgärten er entlanggehen musste. Ollerich genoss für einen Augenblick die grandiose Aussicht, die sich in solch klaren Nächten von hier aus in Richtung Göppingen und Stuttgart bot. In der Ferne zog sich die lange Reihe der Straßenlampen wie beleuchtete Perlen einer Kette durch die Landschaft.
Ollerich tastete prüfend nach den Gegenständen, die in den Taschen seiner Freizeithose steckten. Es waren ein Meterstab, ein Notizblock und ein Kugelschreiber. Seine Stirnlampe hatte er in die Jackentasche gesteckt.
Bislang war alles wunderbar gelaufen. Dass sie vorläufig nur einzeln auf den Berg gingen, machte natürlich Sinn. Je näher der Termin kam, umso vorsichtiger mussten sie sein. Ollerich war sich dessen bewusst und spürte Unbehagen, weil ihm Katsche vor einigen Wochen eigentlich untersagt hatte, selbst noch aktiv ins Geschehen einzugreifen. Doch was hier oben zu tun war, entsprach seinem Metier.
Er erreichte jetzt den Waldrand, wo er sich kurz zum weiter aufwärts führenden Fahrweg orientieren musste. Natürlich konnte es vorkommen, dass er um diese Zeit jemanden traf. Liebespärchen vielleicht oder einen einsamen Spaziergänger, der sich dem Zauber der Nacht hingab. Ollerich hatte bei anderen Gelegenheiten schon öfters erlebt, dass zu allen Zeiten einsame Menschen unterwegs waren. Im Sommer natürlich eher als jetzt in diesen kühlen Nächten.
Während er weiterging und es von der Turmuhr der evangelischen Kirche, die sich gleich neben der Barbarossakirche befand, 0.15 Uhr schlug, dachte er über seine eigene
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